Berner Bücherwochen bringen - Ulrich Schlüter (Freitag 8.11.) und Julia de Boor(10.11.)

.) Die Berner Bücherwochen in der Kulturmühle Berne am Freitag, 08.11.19, 19:30
Ulrich Schlüter: Matrose Spudeit aus Nordenham - ein Schicksal im Ersten Weltkrieg

2.) Die Berner Bücherwochen in der Kulturmühle Berne am Sonntag, 10.11.19, 15:00
Julia de Boor und Einar Bangsund
"kindheitstraum(a) - Lyrik, Cello und Fotografien zum Thema Kriegskinder - Kinder des Zweiten Weltkriegs"


1. Vortrag Ulrich Schlüter
Matrose Spudeit -- EIn Schicksal im Ersten Weltkrieg
Freitag, 08.11., 19:30
      
Ulrich Schlüter ist seit 2001 Redakteur der Nordwest-Zeitung. Ein Zufallsfund auf einem Dachboden vemittelte ihm die Begegnung mit der Lebensgeschichte des Nordenhamer Matrosen Heinrich Spudeit. 1919, vor exakt einhundert Jahren, kehrte Spudeit nach einer vierjährigen Odyssee auf mehreren Kriegsschiffen nach Nordenham zurück. Der Matrose war zuvor in der deutschen Kolonie Tsingtau (China) vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges überrascht und auf den Lloyddampfer Prinz Eitel Friedrich abkommandiert worden, der am Kreuzerkrieg beteiligt war. In seinem Vortrag wird Ulrich Schlüter das Leben von Heinrich Spudeit, der viele Jahre in Nordenham lebte, anhand von Originalunterlagen und Fotos unter die Lupe nehmen. Abgeschnitten von der Heimat sind die Aufzeichnungen Spudeits ein seltenes Dokument über das Leben fernab der Frontlinien. In seinem Vortrag schildert Schlüter auch, wie die Menschen in der Wesermarsch den Ersten Weltkrieg erlebten und wie sie diese Zeit verarbeiteten.

2. Julia de Boor und Einar Bangsund
Kindheitstraum - Kindheitstrauma
Schicksale von norwegisch-deutschen Besatzungskindern im Zweiten Weltkrieg

Sonntag, 10.11., 15:00
Kulturmühle Berne

"kindheitstraum(a) - Lyrik, Cello und Fotografien zum Thema Kriegskinder"

Im Februar 2011 begann, was sich später in Form eines außergewöhnlichen Foto-Lyrik-Bandes offenbaren sollte: eine behutsame Begegnung von Arbeiten des Düsseldorfer Fotografen Einar Bangsunds mit Gedichten der Berliner Wortmusikkünstlerin Julia de Boor als Ausgangspunkt eines Gesamtkunstwerks zu einem Tabu belasteten Thema: Kriegskinder. Selber persönlich betroffen, portraitierte der in Norwegen geborene und in Deutschland aufgewachsene Fotograf andere Kinder des Zweiten Weltkriegs aus Norwegen. Sie alle sind miteinander verbunden durch ihre Herkunftsgeschichte – die Mutter Norwegerin, der Vater Deutscher, sie alle wurden erst als Erwachsene mit der Wahrheit konfrontiert. „Wie geht das Leben weiter, wenn man erfährt, dass nichts so ist, wie es scheint?"  Das war die Frage, die Julia de Boor berührte. Die Berliner Lyrikerin sah Bangsunds Bilder, hörte seine Geschichte und war davon so berührt, dass sie sich spontan entschloss, Hintergrundinformationen zu sammeln, sie recherchierte, machte sich kundig, verarbeitete das Gelernte zu Gedichten. Es entstanden 33 verdichtete Nahaufnahmen zu Bangsunds Portraits, die seit 2015 als Buch vorliegen, zunächst auf Deutsch. 2016 wurde das Buch mit Fördermitteln des norwegischen Kultusministeriums ins Norwegische übersetzt und auch in Norwegen veröffentlicht. Julia de Boor trägt in Berne in einer intensiven und berührenden Lesung Lieder, Gedichte und eigene Cellomusik vor.

Der Fotograf Einar Bangsund ist anwesend und erteilt im Interview Auskunft zu seiner Motivation und zu seinen Erlebnissen mit den Porträtierten. Geboren wurde Bangsund 1942 im nordnorwegischen Lundenes. Seine Mutter musste sich damals verstecken. Später wurde sie aus Norwegen ausgewiesen. Bangsund: "Wir gingen nach Deutschland, wo ich auch aufgewachsen bin." Bangsund, der heute in Dortmund lebt, besitzt die norwegische Staatsbürgerschaft. Er ist ein Kriegskind, eines von ca. zwölftausend Kindern, die während der Okkupation Norwegens durch die Wehrmacht von deutschen Soldaten gezeugt und von norwegischen Frauen geboren wurden. Nach dem Krieg wurde die Bangsunds Mutter von ihrer Familie in Tromsø verstoßen und von den Nachbarn verachtet, weil der Vater ihres Sohnes einer von etwa 500.000 Wehrmachtssoldaten gewesen war, unter deren Okkupation man gelitten hatte. »Deutschenhuren« nannte man in Norwegen die schätzungsweise 30- bis 40.000 Frauen, die sich in eine Liebesbeziehung mit dem Feind eingelassen hatten - und so nennt man sie noch heute in Norwegen.

Julia de Boor, Jahrgang 1971, aufgewachsen als Pfarrerstochter in Thüringen, spielt Cello seit ihrem zehnten, schreibt Gedichte seit ihrem elften Lebensjahr. Abitur 1990, nach einigen Umwegen 2002 Diplom-Abschluss Schauspiel, 2009 Gründung des Ein-Frau-Unternehmens „Julia de Boor – Theater Vielfalt" mit musikalischem Theater, musikalischen Lyriklesungen und Schauspielkursen für Kinder und Jugendliche. Mehrere ihrer Gedichte gewannen Preise, zuletzt beim Strittmatter-Wettbewerb. Seit 2002 jährlich zahlreiche Veröffentlichungen in Anthologien (z.B. „Frankfurter Bibliothek des zeitgenössischen Gedichts", „Poesiealbum neu"), mehrere Theaterproduktionen, Gedichtbände und CDs.