'Den See schmückt Asche' von Julia Meisinger (aus Das Wasser auf der dritten Stufe. Jugendliche schreiben in der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück)

Den See schmückt Asche
Julia Meisinger

Das Wasser schwappte ruhig an die Stufen, die den Weg in dunkle Tiefen ebneten, nur die Angst nehmen, das konnte es nicht. Selbst die Boote, die knapp davor angedockt waren und malerisch vor dem Städtchen am anderen Ufer posierten, halfen nicht, schürten das Grau-en in der Brust einer jeden Dame, die auf ihrem Marsch dorthin starrte, nur noch an.
Doch den Kopf senkten die Rebellinnen im Angesicht ihrer Zukunft auf dem See nicht, denn sie wollten sich dem nicht hingeben.
Durften es nicht.
Nicht, solange auch nur ein Tränentropfen von Hoffnung vorhanden war.
Ob es nicht doch nichts weiter als ein Trugbild war, war unwichtig.
Aber es war bereits Herbst, und gerettet hatte sie noch niemand.
Immerhin schenkten die Bäume ihnen einen kleinen Glücksmoment mit ihrer Farbenpracht, einer sanften, liebenden Herdfeuerstelle gleich.
Ein Geschenk, das an ein Zuhause erinnerte.
Und eines, das einen letzten, flehend zärtlichen Aufstand forderte.

Hand an Hand lösten sich daraufhin zwei wiedergewordene Mädchen von dem Marsch, mit stetem Schritt auf das Ufer zuschreitend, den Blick fest auf die Bäume in der Ferne gerichtet.
„Die Trauerweiden stehn´ hier gut“, sagte die eine und drückte die Hand ihrer Schwester fester an ihr noch schlagendes Herz.
Die andere lächelte mit nassen Mundwinkeln. „Darunter begraben zu werden wäre schön. Dann können wir auch zu Weiden werden.“
Doch zwei Flecke beschmierten beider Rücken und während erst eine sich zum Wasser verbeugte, dann die andere, freuten sich die Schornsteine schon auf neue Asche zum Hoffnung Verbrennen, den See zu schmücken.