Schulklasse und Lehrer aus der Montessori Fachoberschule beschreiben ihre Lesung mit Marie-Luise Knopp

 


DDR Geschichte im Doppelpack:    
Am 14.03. genießt die 12. Klasse den Besuch der Zeitzeugin Marie-Luise Knopp bevor sie abends in das Dokumentartheater „Das schweigende Klassenzimmer geht“.

Langsam strömen die Schüler der Geschichtskurse der 12. Klasse gegen 13:00h in den Raum „Nairobi“ ein, nehmen sich erst zögernd einen Keks und Platz in der lockeren Sitzordnung.  Ihr Lehrer eröffnet den außergewöhnlichen Nachmittag mit einer kleinen Anmoderation. Er stellt die vielen „Fremden“ im Klassenzimmer vor: Hohe Persönlichkeiten des Mainfrankentheaters, einen Mitarbeiter der Stiftung für Aufarbeitung der SED Diktatur und die Person, um die sich das meiste drehen wird: Marie-Luise Knopp, ehemalige Lehrerin in der DDR. Dann erklärt er, warum er eine Truckermütze trägt und stellt heraus, welche Freiheiten er als Lehrer und als Bürger der BRD eigentlich genießt: Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Freiheiten, die Luise Knopp – Kollegin und Haupt“star“ des Nachmittags – in der DDR vielleicht nicht hatte.

Und diese beginnt dann auch zu erzählen. Es dauert keine drei Sätze, bis jedem im Raum klar wird: Die Dame kann erzählen. Und sie hat etwas zu erzählen. Es wird still und es bleibt  still. Niemand wagt, sich oder jemand anderen abzulenken. Nicht aus Angst vor der Frau oder den Beteiligten: Das sind ja alles nette Menschen. Sondern aus dem Respekt, der von ganz alleine entsteht, wenn jemand etwas zu erzählen hat, das etwas bedeutet.
Geboren im „Kaff“, Studium, Heirat, Lehrkraft in Leipzig, Kind. Doch dann beginnt der Staat ihr auf den Zahn zu fühlen: Sie sei zweifelsohne eine gute Lehrkraft, aber ob sie denn in so einem wichtigen Fach wie Geschichte auch politisch genug sei?
Ein wenig später wurde sie von einem elegant gekleideten Funktionär gefragt, ob sie nicht in die Partei einsteigen wolle oder gar in das MfS. Sie verneint.
Und so wurde aus einer unbescholtenen Bürgerin ein potenzieller Staatsfeind, da Marie Luise Knopp nicht aktiv am „Aufbau“ des Sozialismus mithalf.
In einem Staat, der überall Feinde sieht ist man entweder Teil der Lösung oder Teil des Problems.
Die Lage wurde immer unangenehmer für Frau Knopp, erzählt sie. Eine offensichtliche Hausdurchsuchung lässt sie dann innerlich auch tatsächlich begreifen, dass dieser Staat nichts für sie ist. Sie fühlt sich und die Sicherheit ihres Kindes bedroht. Ihr damaliger Partner im „faschistischen Ausland“ bewegt sie zur Flucht. Doch zu spät: Spitzel spüren die Schleuser auf, die Marie Luise Knopps Fluchtplan verraten und sie wird kurz darauf inhaftiert. Ihr Sohn wird ihr weggenommen. Wegen „Republikflucht“ kommt sie nach U-Haft in ein Frauenzuchthaus, in der sie schikaniert aber wenigstens nicht geschlagen wird. Sie muss vor allem Uniformen waschen, während ihrem Sohn per Schwindelbrief weißgemacht wird, seine Mutter sei krank und auf Kur.
All dies erzählt Marie-Luise Knopp uns frei von der Leber weg. Manchmal lässt sie Passagen aus ihren Büchern darüber von der Theaterpädagogin Jenny Schulz vorlesen. Man merkt Marie-Luise Knopp die Erschütterung immer wieder an, gerade, wenn es um ihren Sohn geht, doch sie bewahrt Würde und Fassung und erzählt ihre Geschichte weiter. Bis ganz zum Schluss.
Die DDR hat Geldprobleme. Marie Luise Knopp gilt als nicht mehr tragend für den Staat. Sie wird offiziell ausgebürgert, staatenlos.. Für sie ein Glücksfall. Weil es der DDR an vielem mangelt und der planwirtschaftliche Motor nicht so recht ins Laufen kommen will, wie die Funktionäre es versprechen, scheut die DDR Regierung nicht davor zurück, Häftlinge zunächst gegen Bargeld, dann gegen Industriegüter, welche die DDR am Weltmarkt in Devisen umwandeln konnte, zu tauschen. Im Rahmen dieser Programme wird Marie Luise Knopp im Bus mit anderen über die Grenze in den Westen transferiert, dort aufgenommen und kann wieder als Lehrerin arbeiten. Sie tut weiter Gutes und ruft die Zeitschrift „Klapse“ ins Leben – eine Zeitschrift für ihre Schüler an einer Förderschule. Und irgendwann beginnt sie auch ihre Geschichte zu erzählen. Erst schreibt sie Bücher und hält Vorträge. Nun arbeitet sie mit der Bundesstiftung Aufarbeitung zusammen, welche das Theraterstück am Abend ebenfalls betreut hat und diese Zusammenkunft ermöglicht hat.
Abgerundet wird Marie Luise Knopps Vortrag davon, wie sie erzählt, wie es eigentlich dazu kam, dass sie ihre Geschichte, die ganz weit drinnen in ihr war, aber nie herauskam, dann doch ihren Weg in die Welt gefunden hat. Auch hier sind alle Schülerinnen und Schüler noch voll bei der Sache. Es ist einfach ein wichtiges Thema und eine beeindruckende Geschichte. Für uns „Nachgeborene“ kaum zu glauben, dass es ein Teil „unserer“ jüngsten Geschichte ist.
Frau Knopp und Dr. Frank Hoffmann muntern die Schüler zuletzt zu Fragen auf, bevor alle Beteiligten dann wieder ihrer Wege gehen. Und dennoch fühlen, dass das ein besonderer Augenblick und ein wichtiger Augenblick im Leben jedes Anwesenden war. Mehr als nur „Schule“. Mehr als nur „Fakten“ und Informationen aus Büchern, Zahlen und Buchstaben oder etwas, was der Lehrer erzählt. Sondern eine echte Geschichte, ein echtes Schicksal, das in Fleisch und Blut vor einem steht. Jemand der das alles, was so unfassbar klingt, am eigenen Leib erlebt hat.
Wir bedanken uns herzlichst bei allen, die diese Begegnung ermöglicht haben!!!
Die 12. Klasse der Montessori Fachoberschule in Würzburg und ihr Geschichtslehrer Herr Schelzig