Nour Smo - Mein Weg nach Deutschland (Jugendliche melden sich zu Wort)
Hördatei:
Ich habe niemals gedacht, dass ich meine Geschichte an die Öffentlichkeit geben werde. Mir ist es auch schwer gefallen, diese Geschichte zu schreiben. Es lag wohl vor allem daran, dass ich an die Vergangenheit nicht mehr erinnert werden wollte. Ich habe mir auch Mühe gegeben, diese Zeit zu vergessen und ein neues Leben zu führen. Denn ich flüchtete mit meiner Familie von Syrien in den Iraq. Die Probleme in Syrien waren immer schlimmer geworden. Es gab kein Wasser, keinen Strom und ich hörte jeden Tag schlimme Nachrichten. Deswegen schlug mein Vater vor, in den Iraq zu fliehen. Wir wussten dabei aber nicht, was uns dort erwartete.
Ich war glücklich, weil ich dachte, dass unsere Probleme endlich verschwinden würden. Gleichzeitig aber war ich auch traurig, weil ich meine Heimat, meine Freunde und meine Verwandten verlassen musste. Und so machten wir uns auf den Weg. Doch an der Grenze mussten wir zwei Tage bleiben. Das war, was ich gefürchtet hatte. Vor Angst liefen mir die Tränen herunter. Was wir in dem Moment machen konnten, war, einfach nur beten. Nach zwei Tagen geschah es! Wir durften endlich rein! Wir leben jetzt in Frieden! Danke, Gott!, dachte ich.
Im Iraq lebten wir fast zwei Jahre lang. Meine Geschwister und ich gingen nicht zur Schule, was mich unheimlich traurig machte. Stellen Sie sich mal vor, Ihre Kinder würden nicht zur Schule gehen oder du, der gerade diese Geschichte liest, du könntest nicht zur Schule gehen. Was hätten Sie, was hättest du getan? Nicht zur Schule zu gehen, ist kein schönes Gefühl. Aber auch die wirtschaftliche Lage war nicht besser als in Syrien. Trotzdem war ich dankbar, dass es dort wenigstens keinen Krieg gab.
Irgendwann ging es nicht mehr! Wir konnten nicht ohne Schule bleiben. Und was machte mein Vater? Er machte sich auf den Weg nach Deutschland. Ich hielt das für eine überhaupt keine gute Idee, weil ich Angst um meinen Vater hatte. Der Weg nach Deutschland war nicht leicht für ihn. In der Zeit, als er auf dem Weg war, gingen wir zurück nach Syrien und lebten bei meiner Oma und meinem Opa. Dann kam der Tag! Krieg! „Ich habe Angst. Wann wird es aufhören? Werden wir sterben?“, sagte ich mit Tränen in den Augen. Mein Bruder hatte hohes Fieber und kippte um. Wir blieben die gan-ze Nacht wach, bis es endlich aufhörte. Wir hatten einfach nur Glück.
Nach eineinhalb Jahren erhielten wir die Nachricht von meinem Vater, dass wir nach Deutschland kommen konnten. Vor Freude konnte ich meine Gefühle nicht beschreiben. Wir flogen in den Libanon und von dort aus nach Deutschland. Am Flughafen sah ich meinen Vater. Ich rannte zu ihm und umarmte ihn. Das war der schönste Moment meines Lebens.
Jetzt bin ich 16 Jahre alt und lebe in Deutschland in Frieden, habe die besten Freunde aller Zeiten, die mich immer unterstützen und für mich da sind.
Und eins habe ich in meinem Leben gelernt: Man muss dankbar sein mit dem, was man hat. Denn es gibt Men-schen, die nur davon träumen. Geld ist nicht alles, was glücklich macht. Die Liebe der Familie und der Freunde macht einen im Leben glücklich.
Nour Smo (16 Jahre)