5. Hohenemser Literaturpreis ging an Selim Özdogan.
5. „Hohenemser Literaturpreis für deutschsprachige Autor/innen nichtdeutscher Muttersprache“ vergeben
Für die bislang unveröffentlichte Erzählung „Geschichte ohne Papier“ verlieh die Stadt Hohenems am Samstag, dem 24. Juni 2017, den mit 7.000 Euro dotierten Hohenemser Literaturpreis an Autor Selim Özdogan.
Traditionell fand die feierliche Übergabe des Preises im Salomon-Sulzer-Saal, der einstigen Hohenemser Synagoge, statt – und wurde von einer Lesung des 1971 geborenen Kölner Schriftstellers („Wieso Heimat, ich wohne zur Miete“) gekrönt. Die Jury, bestehend aus Dr. Anna Mitgutsch – die ihre Festrede der „Sprache als Innovation und Verwandlung“ widmete – Sudabeh Mohafez und Zafer Senocak hatte die Erzählung aus 162 ihr anonym vorliegenden Einreichungen ausgewählt: „Geschichte ohne Papier“ vereint die Qualitäten, welche die zahlreichen Veröffentlichungen Özdogans, beginnend mit seinem Debütroman „Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist“, auszeichnen: Sorgfältige Figurenzeichnungen und eine prägnante Sprache sind auch im Siegertext zu finden, der im Grunde das Erzählen selbst reflektiert. „Gott hat die Menschen erschaffen, aber er hat ihnen keine Geschichte gegeben und keine Papiere, nur Namen. Die Geschichte muss jeder selbst finden und nicht jeder kann entscheiden, welche er erzählen möchte“, beginnt der Text. Özdogan erzählt, wie zwei junge Männer, Salim und Adem, in einer Polizeikontrolle letztlich an der Erzählung ihres Lebens scheitern – ihre Geschichten sind an gefälschte Dokumente angelehnt, an Vorstellungen, wie ihre Biographie sein könnte, an Filmzitate. Festrednerin Dr. Anna Mitgutsch zum Siegertext: „Die Sprache in ihrer oszillierenden Mehrdeutigkeit erzählt die Parabel von der Identität, die man sich erst einmal leisten können muss, der Existenzberechtigung, die nicht durch das bloße Dasein garantiert wird, sondern erst durch den Besitz der richtigen Geschichte. Der Verlust der Identität, sie freiwillig aufzugeben, ist der Preis zu überleben.“ Eine Veröffentlichung der Erzählung, wie auch früherer Siegertexte des Hohenemser Literaturpreises ab 2009, ist in Planung.