Anja Gumprecht las in Rutesheim aus dem Buch 'An der Leine'

Am Leben Erkrankter teilnehmen

Neugierig zu sein, am Leben eines erkrankten Kindes und seiner Familie teilzunehmen - darum warb die Autorin Anja Gumprecht bei ihren beeindruckenden Lesungen im Bürgersaal. Zum bundesweiten Tag der Kinderhospizarbeit las sie am Nachmittag für Kinder und am Abend für Erwachsene aus ihrem Buch "An der Leine" - unserem Medium der Woche.

Im Buch erzählt sie Geschichten aus dem Leben ihrer an Leukämie erkrankten Tochter Lina - offen und mit viel Humor. Dabei weiß sie sich im Einklang mit Lina, die ihr Leben des Zwangs und der Sorge offensiv annahm: Ohne Haare, mit einem Katheter und einem allgegenwärtigen Infusionsständer, ständigem Abstand zu anderen Menschen wegen der Infektionsgefahr und mit vielen Aufenthalten in der Tagesklinik. Vier Jahre ist Lina alt, als die Leukämie ausbricht. Lina gibt das Tempo vor, ist stolz auf ihre Tablettenberge, die sie ohne Umstand mit Wasser herunterspült. Sie legt sich, umgeben von einem Pylonenkreis, mitten ins Wohnzimmer. Sie ist der Meinung, dass es völlig normal ist, mit vier Jahren Leukämie zu haben. Heute ist Lina neun Jahre alt und ohne Leukämie. Sie hat kleine gesundheitliche Einschränkungen und genießt es, zur Schule zu gehen. Bei der Lesung am Nachmittag konnten die zuhörenden Kinder gar nicht genug von den Geschichten bekommen. Anja Gumprecht hatte einiges an Anschauungsmaterial aus dem Alltagsleben ihrer kranken Tochter mitgebracht: Ein buntes Kathetertäschchen, einen geflochtenen Stoffzopf als Ersatz für die ausgefallenen Haare, Pflaster in allen Größen, eine Schlauchklemme sowie einen Infusionsschlauch. Sie zeigte den Kindern, was das Wichtigste in der Krankenhaustasche ihrer Tochter war, nämlich eine Taschenlampe. Da der Weg von ihrem Zuhause in Frankfurt/Oder bis zu Klinik in Berlin zwei Stunden dauerte und durch viele Tunnel führte, war es wichtig, eine Taschenlampe dabei zu haben. So konnte Anja Gumprecht ihrer Tochter während der Fahrt vorlesen.

Bei der Lesung am Abend schilderte Anja Gumprecht, wie sie das Buch "An der Leine" zusammen mit der Illustratorin Anne Vockeroth entwickelte. Selbst Mutter einer krebskranken Tochter hatte die Künstlerin die Innensicht und malte Bilder von großer Eindrücklichkeit. Die Lesungen wurden organisiert von Monika Friedrich, Koordinatorin Ambulanter Kinderhospizdienst für Kinder und Jugendliche. Sie wies in ihrer Begrüßung darauf hin, dass die Kinderhospizarbeit ab Diagnosestellung beginnt. Die Mitarbeiter begleiten betroffene Familien mit erkrankten Kindern, Jugendlichen oder Elternteilen über die lange Zeit der Erkrankung. Sie sind bei trauernden Familien. Helfende Hände sind willkommen. Menschen, die Zeit und Kraft einbringen wollen, um den Ambulanten Hospizdienst für Kinder und Jugendliche zu unterstützen, können sich an die Leitung unter der Telefonnummer 07152/3355204 wenden.