Antikriegsgedichte von Ursula Lange gestern zum Gedenken an die Befreiung Deutschlands
Vor großer Kulisse lasen gestern Ursula Lange und Waltraud Weckel in ergreifender Manier im Seniorenzentrum pro Vita 'Texte gegen das Vergessen. Das sind Texte, die zum einen vom jüngeren Bruders der Autorin, Klaus-Joachim Flade, stammen, der im 2. Weltkrieg sinnlos sein Leben opfern musste, und Anti-Kriegsgedichte von Ursula Lange selbst.
Eine leise und stille Veranstaltung, doch voller Ergriffenheit und Anerkennung für die Leseleistung einer Frau über 90.
Die Nachbarin
In ihrem viel zu großen Haus
leben vergilbte Fotos
mit der Alten
und werden nachts
zu Spukgestalten
Drei Krieger
kehrten nicht
nach Haus
In ihrem leeren Abendhaus
flackert die Kerze
in ein spätes Ende
irrlichternd
über stumme dunkle Wände
Ihr Blick
streift ziellos
in die Nacht hinaus
Gehüllt in graues Nebeltuch
der See liegt bleiern
reglos im Novemberraum
Die nackten Zweige friern
am Weidenbaum
Sein Laub
ist abgefallen
wie der Alten Weh
Im blinden Spiegel
von erloschnen Jahren
zerfließt die Zeit
wie Schnee auf warmer Hand
versickert still
an der Erinnrung Rand
noch leise lächelnd
im Erstarren
In ihrem Stundenglas
der Sand verrinnt
unmerklich sachte
sanft und sterbensmatt
Aus einem Lebensbuch
das letzte Blatt
trägt mit sich fort
der Abendwind