Austritt aus der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusamenarbeit e-V.
mit stärkstem inneren Widerstand haben wir die o.g. Pressemitteilung der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. zur Kenntnis nehmen müssen, in der Dr. Marcus Meier der Ablehnung einer Teilumbenennung des Kölner Offenbach-Platzes in Dirk-Bach-Platz mit bizarren und menschenrechtspolitisch immens problematischen Argumenten Ausdruck verleiht.
Ihre Pressemitteilung ist nun in der Welt; dadurch sind diesbezügliche Klärungsgespräche unsererseits sinnlos geworden.
Dies hat uns zu dem folglich einzig konsequenten Schritt veranlasst:
Mit sofortiger Wirkung treten wir aus der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. aus und beenden heute unser beider langjährige Mitgliedschaft.
Wir bitten um entsprechende schriftliche Bestätigung.
Seit Jahrzehnten sind wir ein gemeinsam alterndes gleichgeschlechtliches Ehepaar mit jeweils eigenen familiären jüdischen Wurzeln großmütterlicherseits. Seit Jahren tragen wir auf Bitten unserer jüdischen Freundinnen und Freunde in Tel Aviv, Be'er Scheva und Jerusalem täglich jeder seinen ererbten kunstvollen Davidstern als Zeichen der Solidarität und unseres entschiedenen Bekenntnisses gegen jeglichen neu aufkeimenden Antisemitismus in Deutschland. Dies werden wir bis an unser Lebensende genau so praktizieren.
Die Hierarchisierung von resp. nach Opfer-Gruppen (ein an sich bereits gruseliges Unterfangen) empfanden wir während unserer gesamten menschenrechtspolitischen und menschenrechtspraktischen Arbeit - sowohl als protestantischer Pfarrer der Evangelischen Kirche im Rheinland wie auch als jahrzehntelang menschenrechtspolitisch engagierter Medienberater und ebenfalls studierter Theologe - stets als völlig inakzeptabel.
Angesichts des unaussprechlichen Leides, das der nationalsozialistische deutsche Faschismus nicht nur über zahllose jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, sondern ebenso u.a. über Menschen mit homosexueller Identität brachte, müsste es Ihnen als Vorstand der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. doch ganz im Gegenteil ein Herzensanliegen sein, den Offenbachplatz vor der Kölner Oper, dem ursprünglichen Platz der 1861 eingeweihten jüdischen Synagoge Glockengasse, auch mit den Opfern deutscher Homophobie zu teilen. Dirk Bach war einer der bundesdeutschen homosexuellen Künstler, der auf vielfältige und z.T. provozierende Weise dem nach wie vor real existierenden Hass auf Minderheiten, auch auf homosexuelle Frauen und Männer, entschieden die Stirn geboten hat.
Geht es Ihnen - wie Ihre in Rede stehende o.g. Pressemitteilung decouvrierend zum Ausdruck bringt - lediglich um Terrain-Verteidigung, zur Not auch auf Kosten anderer Faschismus-Opfer?
In der im Namen der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., also auch in Ihrem Namen veröffentlichten Pressemitteilung vom 09.03.2022 versteigt sich Herr Dr. Marcus Meier in absurd-bizarren Begründungsversuchen, in denen er vor der Instrumentalisierung eigener subjektiver, zutiefst tendenziöser Be- und Entwertungs-Urteile nicht zurückschreckt und diese als Position der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. veröffentlicht.
- Ihre Position: Mit einem "solchen falschen (!) kulturpolitischen Statement der Bezirksvertretung" würden angeblich "die Bemühungen des gesamten Gedenkjahres '1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland' zunichte gemacht".
- Unsere Antwort: Im günstigsten Falle könnte eine solche inadäquate Bewertung, die alles realistische Maß vermissen lässt, als subjektive Fehleinschätzung abgetan werden. Hier jedoch wird suggeriert sowie vermittelt, dass es sich bei dieser Bewertung um die des gesamten Vorstandes der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. handelt.
- Ihre Position: Entsprechend dem subjektiven Empfinden des Herrn Dr. Marcus Meier sei Jacques Offenbach, dessen Würdigung während des "famosen Offenbach-Jahres 2019" stattfand, der "bedeutendste" Komponist Kölns.
- Unsere Antwort: Für Kenner jüdischer Musik ist die Vertonung des Kol Nidrei, des jüdischen Gebets zum Vorabend des Jom Kippur, durch den nicht-jüdischen, aus einer christlichen Familie stammenden Kölner Komponisten Max Bruch für viele Jüdinnen und Juden das eindeutig bedeutsamere jüdisch-musikalische Vermächtnis und nicht ansatzweise von gleicher jüdisch-religiöser Relevanz wie die im Vergleich dazu zweifelsohne primär zerstreuend unterhaltsamen wie oberflächlichen Offenbach'schen Operetten. Dass Jacques Offenbachs Vater Isaac Juda Eberst über viele Jahre Kantor der Synagoge Glockengasse war, empfinden wir (ebenfalls aus rein subjektiver Wahrnehmung) als den wesentlicheren Topos im Vergleich zu den Kompositionen seines Sohnes. Nebenbei - nur um die Valeur der Würdigung dieses als Spross einer frommen jüdischen Familie zur Welt gekommenen Komponisten Jacques Offenbach ein wenig ins rechte Licht zu rücken: Damit er seine spätere Ehefrau problemlos ehelichen konnte, ist er im Jahr 1844 vom Judentum zum Katholizismus übergetreten. Es steht uns nicht an, dies auch nur im Ansatz bewerten zu wollen oder gar zu können. Demgegenüber bewertet Ihre o.g. Pressemitteilung auf schamloseste Weise das Lebenswerk des homosexuellen Schauspielers, Komikers und engagierten Menschenrechtsaktivisten Dirk Bach.
- Ihre Position: "Die Würdigung des Schauspielers Bach, der zuletzt mit großem Engagement das 'Dschungel-Camp' moderierte, steht hier nicht zur Debatte, könnte jedoch, FALLS WIRKLICH NOTWENDIG" (?), "an einem anderen Ort erfolgen."
- Unsere Antwort: Hier bringen Sie infame homophob-propagandistische Töne zum Klingen, die dem elementarsten antidiskriminierenden Credo der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. diametral widersprechen. Dirk Bachs menschenrechtspolitisches sowie künstlerisches Lebenswerk auf seine Moderation des RTL-Dschungel-Camps reduzieren zu wollen, zeigt deutlich, wie unbewusst und zugleich unauslöschlich latente homophobe Entwertungen in Teilen der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V. ihr ungezügeltes Eigenleben führen.
Unsere Entscheidung zum umgehenden Austritt aus der Kölnischen Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V.:
- An der Verbreitung der nachweislich homophoben Ressentiments in der o.g. Pressemitteilung vom 09.03.2022 wollen und werden wir uns ab sofort nicht mehr schuldig machen.
- Wir unterstützen die Teilumbenennung des Kölner Offenbachplatzes in Dirk-Bach-Platz voll und ganz!
Mit freundlichen Grüßen,
Shalom,
Gunnar Evang und Pfarrer i.R. Holger Evang-Lorenz