Christoph Katz - Alte Freunde
Alte Freunde
Du schaust mit mir zum Fenster raus.
Du rauchst und sprichst dabei kein Wort.
Die Welt ist selten ein Zuhaus,
und manches kränkt dich immerfort.
Noch fühlen wir uns beide kräftig,
die Zeit hat uns bisher geschont.
Nach außen wirken wir geschäftig,
wir wissen längst, dass es nicht lohnt.
Auf alle uns’re Fragen bleiben
nur neue Fragen und kein Reim.
Und alle uns’re Tage treiben
der Reuse zu, dem Altenheim.
Die Illusion, von uns bestände
nach Jahr und Tag ein wenig mehr,
verliert sich langsam gegen Ende
und uns’re Augen suchen leer
nach einem Halt weit in der Ferne
und finden nur zu sich zurück.
Wir lebten beide doch so gerne –
doch ist das Leben wirklich Glück?
Wie soll man das Gefühl benennen,
das kommt, wenn man die Welt begreift?
Ach, wir, die alle Finten kennen,
wir werden trotzdem eingeseift.
Ich spiel Gitarre, seit ich denke,
bei dir hängt fast das Leben dran.
Was wird, wenn unsere Gelenke
vor Schmerz erstarren irgendwann,
wenn uns die alt gewohnte Stimme
fast schon wie ein Gegröle scheint
und unser Publikum nur eine schlimme
vertuschte Einsamkeit vereint.
Von all den Liedern bleiben Fetzen
der Texte und der Melodien,
die nur noch recht und schlecht ersetzen,
was sie uns an Elan verlieh’n.
Bald ist sie aus, die Zigarette,
wir drehen uns zum Leben hin.
Die Pflegerin geht nur als nette
Fata Morgana durch den Sinn.
Doch irgendwann greift ihre warme
mit Gummi angezog’ne Hand
dir an’s Gesäß und ihre Arme
gewähren dir den letzten Stand.
Dann bleibt Erinnerung als blasse
Gestalt aus einem and’ren Land.
Du lutscht an deiner Schnabeltasse
und starrst an deine Zimmerwand.
Behüt uns Gott, dort nicht zu landen,
im leeren Hafen der Demenz.
Ich möcht mit vollen Segeln stranden
vor meiner Fahrt im schwarzen Benz.
Ich wünschte mir bei Gustav Mahler
sänk ich ins Kissen voller Glück,
das Licht, es würde langsam fahler
und dann käm ich nie mehr zurück.
Was wär es schön, dir zu begegnen,
auf einer Wolke, irgendwann,
wir ließen es vor Freude regnen
und lachten, so man’s dann noch kann.