Dirk Röse - Die zwölf Irrtümer der AfD
Die zwölf Irrtümer der AfD
Die Alternative für Deutschland wiederholt bestimmte Aussagen bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Dadurch werden sie nicht stimmiger, werden aber von ihren Anhänger:inne:n gerne geglaubt und übernommen. Zentrale Argumentationslinien sind:
1. »Die AfD ist eine demokratische Partei.« Richtig ist, dass die AfD zwar demokratisch in den Bundestag und in die Landtage gewählt wurde. Doch das bedeutet nicht, dass die AfD eine demokratische Partei ist. Unsere Demokratie ist nicht allein ein Wahlverfahren und ein Parlamentssystem, sondern ebenso eine Wertegemeinschaft, in deren Mittelpunkt die Würde eines jeden einzelnen Menschen steht. Die AfD aber wirbt für eine Mehrklassengesellschaft, in der deutsche Bürger:innen ohne Migrationshintergrund bevorzugt werden.
2. »Alle AfD-Mitglieder und -Wähler:innen werden als Rechtsextreme abgestempelt.« Als gesichert rechtsextrem gilt die Partei, nicht aber das einzelne Partei-Mitglied oder die einzelnen Wähler:innen. AfD-Mitglieder und -Wähler:innen unterstützen jedoch durch Mitgliedschaft oder Stimmabgabe eine als gesichert rechtsextrem eingestufte Partei.
3. »Die etablierten Parteien ignorieren den Wählerwillen.« Starke Wahlergebnisse sind nicht gleichbedeutend mit einer Regierungsbeteiligung. In der Demokratie geht es um die Bildung von Mehrheiten zwischen den in den Parlamenten vertretenen Parteien. Die Parteien bilden eine Mehrheit mit jenen Koalitionspartner:innen, bei denen eine ausreichend große politische Übereinstimmung erzielt werden kann. Wenn das Ignoranz ist, dürften sich auch Grüne und Linke beschweren.
4. »Die Maßnahmen gegen die AfD sind politisch motiviert.« Das stimmt. Institutionen wie Verfassungsschutz und Bundesgerichtshof haben den Auftrag, unsere Demokratie zu schützen und Recht im Sinne des Grundgesetzes zu sprechen. Wenn sich die AfD außerhalb der demokratischen Grundordnung bewegt, müssen diese Institutionen aktiv werden. Es ist jedoch falsch zu behaupten, dass sich die anderen im Bundestag vertretenen Parteien mit unlauteren Mitteln einer immer weiter erstarkenden Konkurrenz entledigen wollen. Verfassungsschutz, Bundesgerichtshof und andere Institutionen sind Teil der demokratischen Organisation unseres Landes, aber sie arbeiten unabhängig von den Parteien.
5. »Zuwanderung ist unser größtes Problem.« Tatsächlich hat die AfD dafür gesorgt, dass Zuwanderung als übermächtiges Problem wahrgenommen wird. Doch selbst wenn Deutschland die Migration auf null herunterfährt und alle abgelehnten Asylbewerber:innen ins Ausland abschiebt, wird sich das Leben der AfD-Wähler:innen und ihr Blick auf unsere Gesellschaft nicht verbessern. Die Diskussion über Migration ist fehlgeleitet und überhöht. Das Potenzial für zufriedenere Bürger:innen durch eine verschärfte Asylpolitik ist gering.
6. »Deutschland unterliegt einer linken Werte-Diktatur.« Unsere Demokratie ermöglicht ein Höchstmaß an Freiheit für die Einzelne und den Einzelnen, soweit sie im Rahmen der Grundwerte unserer Demokratie bleibt. In gegenseitigem Respekt darf man konservativ oder liberal sein. In gegenseitigem Respekt darf man LGBTQ sein oder nichts damit anfangen können. In gegenseitigem Respekt darf man sich ausschließlich von Falafel und Hummus ernähren oder Weißwurst zutscheln. Es gibt kein Diktat der Werte, aber es gibt die Freiheit, sich individuell und unterschiedlich zu entfalten.
7. »Es gibt keinen Klimawandel.« Die Welt ist kompliziert. Klimawandel, Globalisierung, geopolitische Verschiebungen, Überalterung, Krieg und Corona stellen die Politik vor Herausforderungen, für die es keine einfachen Lösungen mehr gibt. Die Augen vor der Komplexität unserer Zeit zu verschließen, ist keine Lösung. Und wenn die AfD eine solche Haltung unterstützt, führt sie die Menschen in die Irre.
8. »Die etablierten Medien sind fremdgesteuert.« Deutschland zählt weiterhin zu den Ländern mit der größten Presse- und Meinungsfreiheit. So viel Kritik an den Parteien und Satire über Politiker:innen wie in den deutschen Medien ist in zahlreichen anderen Ländern unvorstellbar. Auch die AfD darf ihre kritische Stimme erheben und das auch in den Parlamenten. In vielen anderen Ländern säße die AfD-Führungsriege als unliebsame Opposition längst hinter Gittern.
9. »In der Debatte um die AfD als rechtsextreme Partei geht es nicht um einzelne Parteimitglieder.« Doch, um genau die geht es. Rechtsextreme Mitglieder müssen aus einer Partei ausgeschlossen werden oder dürfen am besten gar nicht erst zugelassen werden. Rechte Gesinnungen müssen durch die Partei bekämpft werden. Wer zu viele rechtsextreme Menschen und Meinungen in den eigenen Reihen duldet, muss damit rechnen, dass sie für die Partei prägend werden. Im äußersten Fall gilt eine ganze Partei dann als gesichert rechtsextrem.
10. »Die AfD ist Opfer antidemokratischer Kampagnen einer korrupten Landschaft aus Parteien, staatlichen Organisationen und Medien.« Der Staat Deutschland hat aus der Vergangenheit gelernt und Institutionen etabliert, die unsere Demokratie schützen. Legislative, Judikative und Exekutive sowie die Medien handeln unabhängig voneinander. Einig sind sie im Bestreben einer wehrhaften Demokratie. Die AfD ist nicht Opfer eines antidemokratischen Staates, aber für die AfD gelten dieselben staatlichen Regeln wie für alle. Wer sich allzu sehr gegen die demokratischen Werte unseres Landes stellt, weckt die Schutzmechanismen.
11. »Die etablierten Parteien richten unser Land zugrunde, die AfD wird Deutschland retten.« Deutschland gehört nach wie vor zu den weltweit wohlhabendsten Ländern und steht längst nicht am Abgrund. Dass Probleme z. B. in der Einwanderung bestehen, dass es einen massiven Aufholbedarf z. B. in der Infrastruktur gibt und dass es zukunftweisender Reformen z. B. in der Rentenpolitik bedarf, ist aber korrekt. Leider gibt es auch hier keine leichten Lösungen. Wenn die AfD also die Regierung in Berlin kritisiert, sollte sie sich auch damit auseinandersetzen, dass Ökonomen, Soziologen und Menschenrechtler die Pläne der AfD für schädlich halten. Unter anderem bevorzugen die Steuerpläne der AfD die Wohlhabenden und benachteiligen einkommensschwache Schichten, und ohne Zuwanderung bekommt Deutschland nicht die Arbeitskräfte, die in der Wirtschaft fehlen.
12. »Hitler war ein Kommunist, und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.« Wenn die Parteispitze der AfD die durch Deutschland verübten Gräuel der NS-Zeit verharmlost und die eigene Nation glorifiziert, hat sie weder aus der Vergangenheit gelernt noch trägt sie die daraus resultierende Verantwortung für Gegenwart und Zukunft. Solche Äußerungen sind sicher der Nährboden für Rechtsextremis in der AfD, vor allem aber sind sie ein Indiz dafür, wie tief Rechtsextremismus in der AfD verwurzelt ist.
Doch leider kann man mit der AfD und ihren Anhänger:inne:n kaum noch diskutieren. Eine Kontroverse braucht immer einen gemeinsamen Ausgangspunkt, so z. B. übereinstimmende Werte oder das Vertrauen in den Staat. Gibt es diese Basis nicht, kann keine Debatte gelingen. Über den Klimawandel kann nicht diskutiert werden, wenn eine Seite den Klimawandel leugnet. Die Angemessenheit einer Einstufung als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz kann nicht erörtert werden, wenn eine Seite den Verfassungsschutz für korrupt hält. Auf diese Weise entzieht sich die AfD dem notwendigen Diskurs und verbreitet weiter ihre Irrtümer.