Doro Gorges, Wachtberg Prinzen gibt es nicht, aber so vieles mehr ..,

Doro Gorges, Wachtberg
Prinzen gibt es nicht, aber so vieles mehr ..,

Es war einmal ein verspieltes, träumerisches, roman-tisch verklärtes Kind. Es küsste gar viele Frösche, die nie zu Prinzen wurden. Es lief mit dem Blick zum Himmel, schaute Wolkenbilder und stieß sich dabei oft den Kopf an… Es träumte von großen Ereignissen und Geschehnissen und doch war seine Welt oft so klein und erdrückend. Dennoch wurde es größer und groß, was unvermeidlich blieb, denn so ist es das Le-ben.  Es erlebte hier und da kleine Wunder, aber mehr Enttäuschungen auf diesem Weg zum Erwachsen werden.

Als erwachsene Frau dann war sie derber und härter geworden, denn das Leben hatte sie mit der Zeit geprägt. Sie hatte kein leichtes Leben gehabt, wurde von stets überforderten Eltern gerade in der schwierigen Jugend kaum aufgefangen. Wegen ihrer Eigenart der Welt zu begegnen und sie auf ihre Art zu verstehen, wurde sie oft als verrückt oder gar dumm bezeichnet.

So war sie ein blasses und trauriges Mädchen geworden, wo einstmals rote Wangen glühten und ein wil-des Temperament sie glücklich beherrscht hatte. Am Ende einer traumgeführten Kindheit und des Erwachens wähnte sie sich in einer grausamen und oft un-gerechten Welt. Mit beiden Beinen heute fest auf dem Boden, managte sie ihr Leben nun autark und prag-matisch. Sie war inzwischen zum Kontrollfreak mu-tiert, denn äußere Sicherheiten versprachen Ordnung und ein festes Gefüge. Sie hasste Überraschungen und zählte diese längst nicht mehr zu gerade den Wundern ihrer Kindheit.

Sie träumte nur noch wenigen Momenten und nur, wenn sie es zuließ, was selten genug vorkam. Sie träumte schon mal, wenn sie ausgepowert vom Tag etwas leichte Entspannung brauchte. Dann ließ sie es ab und zu geschehen, ihre Kindheitsträume Revue passieren zu lassen. Diese verschönten ihr dann doch wie in alten vergangenen Zeiten das Alltagsgrau mit all seinen Mühen und Plagen und manchem Schei-tern.

Eines Tages klopfte es an ihrer Wohnungstüre- und sie fragte sich, warum dieser ungebetene Gast, wer es auch sein mochte, nicht gefälligst klingelte. Sie öffnete die Türe und dort war ein junger Mann in einem Rollstuhl sitzend. Er lächelte ein fröhliches und charmantes Lächeln, was seinen Zügen enorme Schönheit verlieh, obgleich er diese bei genauerer Betrachtung wahrscheinlich nicht besaß, denn er saß eher in sich zusammengesunken und von schmächtiger Statur in seinem Gefährt.

Dann sprach er mit einer sehr angenehmen Stimme: „Sind sie die Frau des Namens an der Klingel? Ich kann es nur so gerade lesen, denn die Klingel hängt viel zu hoch für kleine Leute. Ich habe gerade im Bus ihr Portemonnaie gefunden, war ihnen noch gefolgt, war aber nicht schnell genug.“

Aufgeregt lief die junge Frau zu ihrem eben noch über den Stuhl geworfenen Mantel, griff in die rechte Ta-sche und fand tatsächlich nicht ihre Börse darin. Der Rollifahrer hatte soeben schon die ihr fehlende Geldbörse zur Hand genommen und hielt sie ihr freude-strahlend entgegen. Sie schluckte vor Überraschung und war verlegen vor Ungläubigkeit, denn es war doch beinah ihr hälftiges Einkommen darin gewesen. Es war für die Anzahlung einer lang ersehnten kleinen Reise gedacht gewesen, die sie selbst durch mangelnde Vorsicht aufs Spiel gesetzt hatte. Und nun saß ihr ein völlig Fremder mit sicherlich ganz eigenen Träumen und Wünschen im Rolli gegenüber und strahlte, offensichtlich glücklich darüber, ihr diese Menge Geld zurück geben zu dürfen, verrückt eigent-lich….

Sie stammelte ein „Danke“, öffnete zittrig das Portemonnaie und suchte nach dem richtigen Geldschein, der ihr als Belohnung passend erschien. Da hörte sie ihn schon sagen: „Lassen sie das bitte, ich möchte keine Belohnung! Mir geht es gut. Mir ist schon das-selbe passiert und ich bekam damals mein Porte-monnaie nie zurück. Zu der Zeit habe ich das Geld bitter gebraucht und es war schwer. Jetzt freue ich mich, dass ich nicht den gleichen Weg wähle wie der, der es von mir fand und einfach damals behielt.“

Bevor sie noch etwas erwidern konnte, hatte sich der Mann schon umgewandt und wollte mit einem „Auf Wiedersehen“ losfahren. Da fasste sie sich, suchte einen Augenblick nach Worten, bis sie sich selbst fragen hörte: „Es ist so schönes Wetter heute, darf ich sie ein Stückchen begleiten? Ich wollte eh noch raus heute!“

Später sah man die Zwei am nahen Eiscafé sitzen, schwatzend und lachend und fröhlich. Es war be-stimmt nicht vernünftig und überlegt, kannten sie sich doch keineswegs, oder gerade erst für wenige Minuten. Aber sie hatten alle Möglichkeiten, sich kennen zu lernen und Eigenartiges, ja Wundersames geschah. Beide hätten sich diese Situation nicht erträumt und nicht erdacht, geschweige denn erhofft. Sie nicht, mit einem Fremden raus zu gehen, der mitnichten ihr erdachter Traumprinz war, einfach so, weil ihr Herz ge-hüpft hatte, völlig unkontrolliert oder unerklärlich. Er nicht, der eigentlich lediglich einem persönlichen Pflichtgefühl hatte nachkommen wollen, obgleich er im Grunde eher zurückhaltend geworden war, seit er den Autounfall überlebt hatte und gefühlt nur noch ein halber Mensch im Rollstuhl war. Doch sie plapper-ten wie ihnen der Schnabel gewachsen war, als würden sie sich schon lange kennen, frei, fröhlich und ja – glücklich!
 
Beide schauten sich tief in die Augen, lachten und scherzten und strahlten, für jeden Außenstehenden erkennbar, der hinsah. Manch einer schaute verdutzt oder unverständig zu den Beiden herüber im Vorbeigehen, Einzelne schüttelten gar über so viel Albernheit die Köpfe, doch die Zwei bemerkten es nicht einmal….