Florian Veelmann mit Rezenion zu Sigune Schnabels 'Glas und andere Irrtümer'

Sigune Schnabel - Glas und andere Irrtümer 

Eines haben die Geschichten Schnabels immer gemein: Erzählstimmen, die sich zwar im Alltagsraum bewegen und mit ihm befassen, aber ganz aus der Sprache des Alltäglichen herausfallen. Idiomische Phrasen werden in diesen mitunter „verschobenen“ Weltzugängen zur Realität erhoben, Metaphern fordern ihren buchstäblichen Wahrheitsanspruch. Und die Wahrheit, die eigentliche Wahrheit, nach der man sich nicht sehnen dürfte und es doch tut, ist nicht die Wahrheit der schnabelschen Figuren. Manchmal neigt man dazu, diese Figuren pathologisieren zu wollen, ihnen mindestens ein magisches Denken zusprechen zu wollen, doch in der kontrollierten, lyrischen Sprache Schnabels entsteht mit jeder neuen Geschichte ein literarischer Raum, an dem es andere Maßstäbe anzusetzen gilt. 
Selten bedienen diese „plotarmen“ Introspektionen Ansprüche, die man an eine Geschichte hegt, selten wird man zufriedengestellt von der Offenheit der Geschichten; zufriedengestellt wird man nur - wenn man es zu wagen wünscht - von einer Prosa, die ihre eigene literarische Wahrheit gegen eine vermeintlich echte äußere Wahrheit zu formulieren versucht, dabei aber nicht den Boden unter den Füßen verliert, sondern in der „echten“ Welt verharrt.