Gabi Anders - In der Spur bleiben

In der Spur bleiben

durch den glitzernden Schnee
die klare kalte Luft tief
einsaugen in alle Lungenflügel
gleichmäßige Bewegungen
bringen uns vorwärts
die Berge ringsum
rühren sich nicht
das Schsch der schnellen Ski
der gleichmäßige Rhythmus
mit dem man mit muss
du rezitierst still Liedtexte
und politische Reden
ich besinne mich
auf Gedichtfetzen
an unserer Bank
machen wir Rast
und schaun uns in die Augen
in der Sonne des Lebens
halten wir inne
für einen Moment
du erkennst die Bachstelze
sie mag diesen Platz am Waldrand
wie wir
den herben Kaffee ganz
austrinken jetzt
ein letzter Zug
der Blick bleibt hängen
Berge ungerührt
von diesem Bedauern
Lohnarbeit wartet –
wie viele sind weggezogen
wegen der Beschwernisse
der Armut, im Streit
andere igeln sich ein
hocken auf ihrem Gold
machen 3 Monate Urlaub im Jahr
die Jagd hier kann sich kaum
ein Einheimischer leisten
das machen die Großkopferten
unter sich aus
1000 Schuss im Jahr heute
ja die Ganghoferjagd damals …
die Wildfütterung bringt immerhin
das Biergeld
aus der Zeit gefallen
schaue ich hier den Meisen zu
spüre die Frühlingssonne
in meinem Gesicht
während der Bach plätschert
fallen mir die Augen zu
morgen aber
werde ich ein Körper unter
vielen sein
geschoben, gedrängt, umgeben von
Gestank, nah am Abgrund
den Kopf gerade
(die gerade Haltung ist
meine Identität als Tänzerin)
die Aufgabe im Blick –
mehr zu tun als nur am Leben zu bleiben
sagte einmal Simone de Beauvoir
das ist die Aufgabe des Menschen
Krieg und Barbarei aufhalten – wenigstens
doch hier
klopft der Specht
schmilzt der Schnee
Berge ungerührt
funkeln