Gelungene Premiere der Grenzlandschaften am gestrigen Abend in Friedrichskoog
Eine wirklich gelungene Buchpremiere gab es am gestrigen Abend im Friedrichskoog im Haus des Gastes. Die anwesenden Gäste, u.a. auch eine Reihe von jungen Menschen, die dort im Wattenmeerbereich ihr ökologisches Jahr absolvieren, lauschten gespannt den vorgetragenen Geschichten. Viele Gäste äußerten sich mit großer Begeisterung über das Buch, die Geschichten und die Veranstaltung.
Verlagsleiter Alfred Büngen begrüßte die Gäste und stellte die Koogschreiberin Simone Regina Adams mit einem Text von Henning Berkefeld vor. Die Lesung des Siegerbeitrags "Weißes Wasser" durch die Koogschreiberin wurde mit großem Beifall bedacht.
Anschließend gab es die "Scheckübergabe" für die Koogschreiberin durch den Geest-Verlag und den Vertreter der regionalen Sparkasse, Herr Stefan Blum .
Der Vorstellung des Buches „Grenzgeschichten“ durch Herrn Büngen mit dem Einleitungstext von J.Monika Walther folgte eine Lesung von zwei Geschichten aus dem Band durch die Autorinnen, Frau Bea Schilling und Frau Christiane Höhmann. Als Jury-Mitglied las Rüdiger Martin noch eine weitere Geschichte aus dem Band.
Dieter Kruse erfreute das Publikum mit einer kleinen Geschichte über Friedrichskoog und den Trischenschreiber Hans Leip, ehe Verlagsleiter Alfred Büngen zum Abschluss noch einen Beitrag aus dem Buch las.
Grenzlandschaften
oder Die Wut der Schafe
Anthologie zum Koogschreiberamt 2016
J. Monika Walther (Hrsg.)
Geest-Verlag 2016
ISBN 978-3-86685-578-6
244 S., 11 Euro
Am Rand der Welt
Nimm dich zusammen, sagte ich auf meiner Reise vom Nordmeer zur Ostsee, durch Polen, Litauen, Lettland, Estland, nimm dich zusammen. Lächle und ziehe die Mundwinkel nach oben und halte die Augen trocken. Keine Träne wegen dieser Liebe. Keine Träne um dieses Leben. Niemand kommt dort an, wo er hin will. Höre die Worte der anderen, höre in der Ferne die Wellen. Was ist passiert?
Ich habe ein Messer im Herz. Es könnte ein Brotmesser sein, eines mit Widerhaken. Mein Himmel ist in die Hölle gefallen. Aber der eine Blick die Himmelsleiter hinauf, über Mauer und Beton, über das Land, durch das Fensterglas. In die Höhe der Schneemützen und Wellenberge. Mir ist der Traum nicht gestorben. Jetzt gehe ich los.
Ich setze meine Füße in die Luft und sie tragen mich auf das Schiff. Ich war mehr als die vielen kleinen Schlucke aus Gläsern und Flaschen. Ich verlasse die Fluglinie Betäubung. Der Morgen ist da. Die See grau. Ich fahre ans Ende der Ostsee. Und weiß nicht wohin –
Das Ende der Erzählung, mit der ich 2012 die erste Koogschreiberin wurde. Im August 2012. Hamburg, Elbe, Blankenese und Schulau kannte ich, Kiel und Flensburg. Im Kloster Cismar war ich zweimal mit einem Stipendium. Aber das Dithmarscher Land war mir unbekannt. Die Köge am Rand der Welt und die Kohlfelder, die Salzwiesen mit ihren leise murrenden Schafen, das in der Sonne glänzende Wattenmeer. Der Himmel mit mir bisher unbekannten Wolkenbildern.
Als Erstes las ich mich durch die Geschichte des Landstrichs: so viele Kriege zwischen Dänen, Preußen, Schweden, Russen, Österreichern, so viele Grenzziehungen und Flüchtlinge. Und weiter zurück in der Geschichte: die großen Sturmfluten, die Tausende Menschen ertränkte. Das Dorf Rungholt versank in den Fluten. Aber es gab auch Zeiten, da konnten die Menschen vom Koog bis nach London laufen. Da lagen die Köge nicht am Rand der Welt.
Die meisten Menschen haben ein Messer im Herz und Sehnsüchte, die sie dazu bringen könnten, alle inneren und äußeren Grenzen zu übertreten. Was geschieht, ist eine Frage der Erziehung, der Religion und vor allem des Zustands der Zivilisation, des gesellschaft¬lichen Referenzrahmens. Von all den Blicken in die ‚Abgründe‘, Verletzungen und Grenzüberwindungen erzählen die Geschichten, die für die Ausschreibung ‚Grenzlandschaften‘ von deutschsprachigen Autoren und Schriftstellerinnen aus fünf Ländern geschrieben wurden. Es geht nicht um große Politik, von außen betrachtet, sondern wie Menschen handeln, was sie einander antun, wie sie helfen, was sie erleben, wie sie in den vielen verschiedenen Grenzlandschaften leben und vor allem, wie und ob sie neue Wege finden.
Sicher sind wir nirgends, weder im Inneren noch nach außen, schon gar nicht mit Stacheldraht um die Herzen gewickelt noch mit meterhohen Zäunen, die unseren Besitz schützen sollen. Diese Sicherheit hat es nie gegeben. Gute Zeiten für die Menschen waren immer zivilisierte Zeiten.
Den Autorinnen und Autoren danke ich als Leserin und als Herausgeberin.
Die AutorInnen und ihre Beiträge
Monika Detering Nevermind
Ina May SchafsWut
Daniel Mezger Grenzgänger Oder: Wie weit man gehen muss
Gudrun Lerchbaum Etwas Fremdes, Blumiges
Ulrike Anna Bleier Den Linien der Raute folgen
Selma Mahlknecht Àde
Claudia Breitsprecher Nimm bloß keine Päckchen für die Nachbarn an
Bea Schilling Heimat, vorübergehend zumindest …
Antje Ippensen Wachsen
Simone Regina Adams Weißes Wasser (Koogschreiberin 2016)
Christiane Schwarze Andaman Trunk Road
Tony Ettlin In der Wand
Cornelia Koepsell Kroatische Wespen
Christiane Höhmann Papakind
Lisa Mandelartz Über die Kreuzung
Stephan Phin Spielhoff Das Wesen ihrer
Liebe in den unbeachteten Einzelheiten von Gebrauchsgegenständen
Franziska Brunn Im vierten Stock
Matthias Schamp Die Seelen der toten Hunde
Barbara Peveling Im Hotel
Roland Lampe Nächtliche Begegnung oder Wie zwanzig Afghanen dem ehemaligen LPG-Vorsitzenden
Heiner Pokratz das Leben retteten
Melanie S. Rose Rost
Gerhard Benigni GmbH – Gesellschaft mit begrenzter Humanität oder Gassigehen mit böllendem Heinrich
Petra Schröck Rogiers Lilien
Jenny Schon Stillleben
Kirsten Meißner Grenzländer