Hanne Müller, Warmduscher. Vom Weichei zum Millionär

Hanne Müller, 17 Jahre, Neuenkirchen
Warmduscher
Vom Weichei zum Millionär

Wer kennt es nicht: Da will man mal schnell einen Blick in die Zukunft werfen und hat gerade keine Kristallkugel zur Hand. Doch für jedes Problem gibt es eine Lösung, und in diesem Fall sogar eine erschreckend einfache – nämlich Kaffee. Denn am Boden einer Kaffeetasse versteckt sich manchmal mehr als man denkt.
Aber was mir der Kaffee jetzt genau sagen will, das weiß ich nicht. Bin ja schließlich kein Medium. Das da vorne könnte ein Anker sein, aber wenn ich die Tasse drehe, erinnert er doch mehr an ein Kreuz. Und der Kellner, der im Vorbeigehen auf meinen Tisch schaut, sieht vielleicht einen Baum. Also was denn nun? Hoffnung und Wohlstand oder Unglück und Sorgen? Aus jeder Perspektive sieht das Ganze unterschiedlich aus. Und als überzeugte Harry Potter-Fan kann ich bestätigen, dass man manchmal auch nur genau das sieht, was man sehen möchte. (Allerdings haben die auch aus Teeblättern gelesen, und Tee ist ja bekanntlich ohnehin etwas dramatischer.) Zuverlässig war diese Methode allerdings auch nicht, schließlich wurde Harry durch das vermeintliche Symbol des Todes, also praktisch der Innbegriff des Unheils, im Endeffekt mit seinem Patenonkel zusammengeführt. Also wer entscheidet, welches Symbol Gutes und welches Schlechtes verheißt? Das unheilvolle Kreuz könnte genauso gut ein Zeichen für erhörte Gebete sein, und der hoffnungsvolle Anker deutet auf ein kommendes Un-glück hin, das mich runterziehen will. Wer weiß das schon?
Wenn wir mal in unsere nähere Zukunft gucken, sieht dort auch nicht alles so rosig aus. Die nächsten Corona-Pläne für den Herbst stehen schon, die Maskenpflicht wird wieder angezogen. Und auch wenn wir in Richtung Osten schauen, erwartet uns dort alles andere als Frieden und Sonnenschein. Menschen müssen fliehen, nach Polen, nach Deutschland, und ihre Heimat und Familien zurücklassen. Keiner weiß, wie, wann oder ob sich Russland aufhalten lässt. Ja, vielleicht wird das Große Latinum in den Schulen bald durch Russisch ersetzt, und vielleicht wird uns bald der Gashahn zugedreht. Da bekommt der Ausdruck ‚Warmduscher‘ plötzlich eine ganz andere Bedeutung.
Aber das ist nur eine Möglichkeit, die Dinge zu betrachten. Der Kellner, er hat mir mittlerweile frischen Kaffee nachge-schenkt, schöpft vielleicht Hoffnung aus den Geschehnis-sen. Er blickt positiv auf den Zusammenhalt der Staaten und die Solidarität mit der Ukraine. Es macht ihn glücklich, die viele Unterstützung zu sehen und zu wissen, dass es immer Menschen geben wird, die anderen in der Not helfen. Und wer weiß, vielleicht wird demnächst der Kaffee in den Büros anstatt mit Milch mit einem Schuss Vodka getrunken. Das würde der deutschen Bürokratie jedenfalls mal ein Upgrade verpassen.
Aber auch das sind alles nur Spekulationen. Egal wie viele Kreuze, Herzen oder Blumen ich in meinem Kaffeesatz zu erkennen glaube, gibt es am Ende doch tausende verschiedene Möglichkeiten, um das für meine Zukunft zu interpretieren. Denn mal ganz im Ernst: Ihr glaubt doch nicht wirklich, dass man das Schicksal eines Menschen auf den Boden einer einzelnen Kaffeetasse quetschen kann?
Also gebe ich euch einen gut gemeinten Rat: Macht es wie meine Mutter. Sie lässt den letzten Schluck Kaffee nämlich immer in der Tasse, schmeckt ohnehin nicht. Sie lässt sich auf das Abenteuer ein, das die Zukunft bringt, und nimmt die Dinge so, wie sie kommen. Sie verschwendet keine Zeit damit, über die möglichen Bedeutungen dieser braunen Brühe nachzudenken. Denn wer mit dem Kopf zu tief in der Kaffeetasse steckt, der verpasst doch all die wunderschönen Dinge, die im Hier und Jetzt passieren!
Also vielleicht ist Kaffee auch einfach nur Kaffee, zwar köstlich, aber doch keinen zweiten Gedanken wert. Und wenn wirklich alle Stricke reißen, dann trinkt doch einfach Tee.