Hans Hermann Mahnken - Monolog
Monolog
Zufällig treffen wir uns beim Überqueren einer Straße.
Komm, sagst du, lass uns was trinken,
wir haben uns ja ewig nicht gesehen.
Nur ein Gläschen, antworte ich zögernd.
Wir gehen in eine angesagte Lounge in der Nähe.
After-Work-Party, sagst du mit einem Gesicht,
als hättest du mir die Weltformel erklärt.
Wie ist es dir ergangen, fragst du mich,
und im selben Atemzug sprichst du über
Immobilienpreise, Karriere, Einkommen und Rendite.
Wo ist der politische Anspruch geblieben,
der dich früher antrieb,
frage ich mich schweigend.
Ich erinnere mich genau: Du warst immer
eine Art Blockwart für mich, der argwöhnisch
über die politisch korrekte Rede der anderen wachte.
Ein guter Wein, sage ich und hebe mein Glas.
Anlass für dich, über Weine zu referieren.
Früher war es Marx, dann Buddha, später Gates, denke ich und spiele mit meinen Zehen.
Am Nachbartisch lacht laut eine dunkelhäutige Schönheit
und zeigt dabei ihr tadelloses Gebiss.
Du hältst kurz inne, beide schauen wir zu ihr hinüber.
Jetzt einfach aufstehen und gehen, denke ich.