Irene Ullrich - Ich hatte immer eine Nagelfeile im Auto liegen (anlässlich der Ant-Gewalt-Tage gegen Frauen=

Ich hatte immer eine Nagelfeile im Auto liegen.

Während meiner Studienzeit und auch noch später, bin ich häufig getrampt, was ich gerne zugebe. Später, als ich dann selbst ein Auto besaß, habe ich regelmäßig Tramper mitgenommen, was ich stets als Bereicherung erlebte, da es zu anregenden Begegnungen kam. Ich bildete mir auf meine Menschenkenntnis etwas ein und hatte keine Angst. Zumal ich die Erfahrung machte, dass man sich vor Fremden weniger fürchten musste, als vor potenziellen Liebhabern besonders, wenn sie als solche eine Ablehnung erfuhren.
So geschehen, auf dem Nachhauseweg, spät in der Nacht von einem Tanzvergnügen. Der viel ältere Musikus hatte sich wohl, schon leicht alkoholisiert, mehr ausgemalt, als ich ihm zu geben bereit war. Offensichtlich hatte er sich ein völlig falsches Bild von der Situation und von mir gemacht. Ich jedenfalls hielt mich an mein stoisches NEIN mit dem Ergebnis, dass ich durch ein dunkles, mir unbekanntes Waldstück, mehrere Kilometer nach Hause laufen musste. Mein Kleid war zerrissen, meine Strumpfhosen tränten, die Absätze meiner Pumps knickten ein, nur ich hatte Stand gehalten und war rechtzeitig aus dem Auto gesprungen.
Meine Großmutter hatte mich immer vor fahrenden Musikanten gewarnt. Als eher unscheinbare und unspektakuläre Waffe hatte sie mir ihre Nagelfeile heimlich  in mein Abendtäschchen gesteckt.
Der solide Solinger Stahl hat seine Wirkung nie verfehlt, da der Verlust der Männlichkeit die wohl eindrucksvollste Waffe ist, die eine Frau zum Einsatz bringen kann. Der Schweißausbruch des Kandidaten und seine Klagelieder in den höchsten Tönen, legten ein eindrucksvolles Zeugnis von der Wirksamkeit der Methode ab.
Diese Nagelfeile liegt bzw. hängt noch immer in meinem Auto. Ich habe sie als Glücksbringer, statt eines Engels, an meinen Rückspiegel gehängt. Denn ich bin mir sicher zu beten, wäre weniger wirkungsvoll gewesen.


Irene Ullrich-Leimbach