Katharina Körting - Wer wirklich die Drecksarbeit erledigt
Friedrich Merz ist ein echter Mann. Klare Kante. Einer, der sagt, was Sache ist. Der Worte wie „Drecksarbeit“ in den Mund nimmt, boah!, und es anerkennend meint. Israel erledige die „Drecksarbeit“, sagt der Bundeskanzler, indem es mit Bomben auf den Iran versuche, die dortige Urananreicherung zu vereiteln. Mit „Drecksarbeit“ machen sich nur echte Männer die Finger schmutzig. Männer, die nicht geliebt werden, sondern bewundert und – gefürchtet. Eine Metapher für harte Kerle.
Bei derartiger Westernlegendenbildung geht unter, wer tatsächlich die Drecksarbeit machen muss. Es sind nicht die um den wegen "Drecksarbeit" unhöflich abrupt abreisenden US-Präsidenten herumscharwenzelnden G-6, es sind nicht die Führer von Nationen, nicht die Generäle, die in den Kommandozentralen sitzen, nicht die Geheimdienstchefs. Die Drecksarbeit erledigen wie immer die Frauen und diejenigen Männer, die nicht auf dicke Hose machen, die nicht das Maul aufreißen. Die räumen den Schutt weg. Die bergen die Toten. Die betrauern und begraben sie. Die bauen die Häuser wieder auf. Die fliehen vor den Bomben. Die legen sich mit ihren Körpern über ihre Kinder. Die finden keine Bunker. Die finden keine Heimat. Die finden höchstens einen Job als Putzkraft in irgendeinem Bürogebäude, das noch nicht zerstört ist, um dort die Drecksarbeit zu erleidgen. Die finden, mit Glück, einen Ort, an dem sie überleben können, um darauf zu warten, die Scherben wegzukehren, die Schmerzen auszuhalten, die Ohnmacht gegenüber dem, was der deutsche Bundeskanzler, das Raubein, nonchalant „Drecksarbeit“ nennt.
Auch das ist Kriegführung: Mit Worten die Wirklichkeit verdrehen, bis das Herz sich sich verschließt, Diktatoren zu Helden verklären, die – als seien sie Streifenpolitzisten oder Kanalarbeiter – angeblich „Drecksarbeit“ erledigen, wie echte Männer, mit Pistolen an den Gürteln, Schmutz unter den Fingernägeln, verdrängtem Leid in der Seele und kessen Sprüchen auf den Lippen. Die einen Scheiß drauf geben, was sie mit ihrer „Drecksarbeit“ anrichten. Weil sie nur von hier bis zur nächsten Bombe gucken. Bis zum nächsten phallischen Beweis, zum nächsten "Rising Lion".