Lesebericht zu Ruth Forschbach 'Das Beständige im Flüchtigen' von Philipp Létranger
Sprechen lernen wie ein Kind
Lesebericht zu Ruth Forschbachs "Das Beständige im Flüchtigen" Ruth Forschbachs neues Buch ist im Oktober 2025 im Geest-Verlag erschienen. Die Farben des Covers von Gudrun Ackermann fielen mir gleich ins Auge – ein sehr einladendes Bild! So bin ich gerne auch in die hier vorgelegten Gedichte und kurzen Erzählungen eingetaucht. Die Texte im ersten Kapitel kreisen um unsere Erinnerungen und deren Bedeutung für das Heute und Morgen. Im zweiten Kapitel geht es um Möglichkeiten, das menschliche Miteinander zu verändern. Kapitel 3 schließlich zeigt unsere Chancen auf, die Zukunft aktiv zu gestalten. Wo findet sich in alldem das Beständige im Flüchtigen, von dem Ruth Forschbach auf dem Buchdeckel spricht? Vielleicht ja gerade in der lebensbejahenden Einstellung der Texte? Das Gedicht "Kairos“ beispielsweise spricht vom ständigen Vergehen und Auferstehen und darin von Gnade und Demut. In allen hier vorgelegten Texten spüre ich eine sensible, doch aufrechte Haltung und die Botschaft, dass Veränderung immer beim Einzelnen beginnt, jederzeit und sofort bei mir beginnen kann. In unseren Erinnerungen finden wir Spuren des Erkennens, können noch einmal den Gefühlen nachspüren, fragen uns: „Wo sind die Jahre hingegangen / und in welcher Gestalt begegnen sie dir wieder?“. Mal sitzen wir sprichwörtlich zwischen allen Stühlen wie in dem Gedicht "Dazwischen", mal bleibt kein Raum für Liebe, immer aber sind wir "Statthalter der Zeit / lasst uns traulich, rücksichtslos liebend leben / Bruder, bald bedeckt Schnee das Haupt." Was können wir tun? "Ballast abwerfen / von der Schwere ablassen / Altes ablegen / möchte ich / wie der Ahorn vor meinem Fenster". Wir können "sprechen lernen wie ein Kind" . Und am Ende des Buches lese ich noch "jetzt & hier / ist deine Zeit / nutze jede Gelegenheit / alles falsch zu machen / nicht dann & dort / nicht später & woanders / jetzt." Ruth Forschbach spricht in ihren Texten eine zugängliche, klare Sprache, nutzt leuchtende und durchweg einleuchtende Bilder, bleibt sich und ihrer Haltung treu. Wer in ihren Gedichten Sprachakrobatik sucht, findet wenig, wer Bedeutung und Inhalte schätzt, kann vieles entdecken. Ich bin ganz sicher, dieses Werk wird seinen Weg zu den Lesern finden. Kauft es , verschenkt es, genießt es, lasst euch den Rücken davon stärken. Im Anhang, wie üblich, auch einige Leseproben. *** Kap. 1 Spuren des Erkennens Erinnerungen und ihre Bedeutung für das Heute und Morgen *** unvordenklich lange her unsere Zeit erinnere seine Worte .... fühle jetzt erst den Schmerz *** Auf den Rändern „Wo sind die Jahre hingegangen und in welcher Gestalt begegnen sie dir wieder?“ *** Dämmergrau Mein Freund, mit dem ich einst Geheimnisse teilte werden wir uns wiedererkennen in einem anderen Sommer? **** Kap 2 Antwort auf ungefragte Fragen bezieht hier gerne klar Position zu Fragen des menschlichen Miteinander, zeigt Möglichkeiten auf ... *** Dazwischen Zwischen allen Stühlen sitzt du unbequem Küchenhocker und Polsterstuhl gebärden sich unwillig geben misslaunig ein rechtes und linkes Eckchen ab kannst es niemandem recht machen versuch's mal mit ‘ner eigenen Bank *** Kein Raum Kein Raum für Liebe Komm nicht wieder, werfe ich dir hinterher *** Statthalter der Zeit wir, Hinterbliebene der Jahre Statthalter der Zeit lasst uns traulich, rücksichtslos liebend leben Bruder, bald bedeckt Schnee das Haupt **** Kap 3 Gestern Nachmittag kam mir die Zukunft entgegen sucht nach Möglichkeiten, die Zukunft aktiv zu gestalten *** Ballast Ballast abwerfen von der Schwere ablassen Altes ablegen möchte ich wie der Ahorn vor meinem Fenster *** Kehraus kehr aus die resignierten Schaffe-ich-doch-nie bedauernden Jetzt-ist-es-zu-spät feigen Ist-doch-sinnlos unschlüssigen Nicht-der-richtige-Zeitpunkt damit die unstillbare Sehnsucht sich ausweiten kann sie weiß *** Transit wir, deren Worte Heimat suchen müssen die Augen öffnen sprechen lernen wie ein Kind *** Jetzt & Hier jetzt & hier ist deine Zeit nutze jede Gelegenheit alles falsch zu machen nicht dann & dort nicht später & woanders jetzt ***** Dies müsste umso leichter gelingen, als sich hier kein Moralisieren und auch keine sprachliche Selbstverliebtheit breitmacht, sondern Sprache der Mitteilung an das „Du“ dient. Dadurch gewährt Ruth Sicht auf die Dinge, wenn sie noch so erdrückend erscheinen, weil sie sich ihnen geistreich und gemüthaft nähert und sie als das benennt, was sie sind, aber auch sein könnten.