Madlen Kunz - Verschlossen
Verschlossen
Ich habe mich eingeschlossen
In einem Schloss
Zwischen den Wolken
Unendlich wie der Himmel
Erstrecken sich Räume
Die mich verschlucken
Schreie ersticken
Ich gehe unter
In seiner Großartigkeit
Bin ich der einzige Fleck
Der akribisch hinter sich her putzt
Um bloß keine Spuren zu hinterlassen
Mein Zuhause
Ist ein Ausstellungsstück
Ohne Besucher
Keine Fingerabdrücke an Fensterscheiben
Lippenstift an Tassenrändern
Fußabdrücke auf Marmorböden
Leserillen in Buchrücken
Die Treppen sausen in Spiralen
Von oben nach unten
Von unten nach oben
Renne ich
Auf Zehenspitzen
Fliehe
Vor der Einsamkeit
Sie gleitet an der Peripherie
Meines Blickes vorbei
Lauert leise
Starrt mich an
Aus dunklen Ecken
Von Zimmerdecken
Aus allen Rillen
Und allen Lücken
Die ich stopfe
Jede Pore
Dieses Schlosses
„Zeig keine Schwäche“
Manchmal blicke ich nach unten
Und beobachte die Menschen
Sehen sie die Farben bunter?
Blüht dort die Vergänglichkeit?
Ist dort Schönheit unbezahlbar
Und nicht bloß billige Ewigkeit?
Oh, was würd‘ ich geben
Ebenfalls ein Mensch zu sein
Mich zu weit aus dem Fenster lehnen
Den Rahmen sprengen, runterfallen
Doch dann zerspringt sie
Die Idylle
Wie ich in meine Einzelteile
Vor ihr’m unschuldigen Auge
Also kehre ich den Rücken
Einer Welt, die mich nicht liebt
Und blicke in die weite Leere
Von dem, was für mich übrig blieb