Nahed Al Essa - Wie allein ich bin (zum Welttag der Poesie)

Ich gehöre zu einer großen Familie. Ich habe sieben Geschwister,
und vor dem Krieg hatte ich sogar acht.

Wie allein ich bin

Wie allein ich bin,
in diesem Moment erst habe ich das gespürt.
Vielleicht war ich noch nie so allein.
Vielleicht war es noch nie so stark,
das Gefühl,
wie in diesem Moment,
in dem ich im Schlauchboot saß.

Jeder hielt die Hand eines anderen,
sie ruhten aufeinander,
unterstützten einander,
lehnten aneinander,
ihre Herzen schlugen füreinander,
mein Herz war allein.

Als die Piraten kamen, mitten auf dem Meer,
als sie unseren Motor nahmen,
schaukelten wir auf dem offenen Meer
zwischen zwei Ufern,
die wir nicht mehr sehen konnten,
aber jeder hatte Augen,
die auf ihn schauten,
nur mich sah niemand.

Als das Boot zu sinken begann,
versank ich in meiner Vergangenheit,
um der Gegenwart zu entfliehen.
Meinen Rucksack hielt ich so fest,
als könnte ich mich in ihm verstecken.
Er war das Einzige, das zu mir gehörte,
der einzige Hinweis auf meine vorherige Existenz.

Als das Boot zu sinken begann,
griff ich nach einem Ruder,
als wäre dieses Ruder meine gesamte Familie.
Mit geschlossenen Augen
hörte ich die Stimme meiner Mutter,
spürte ihre Wärme.

Die Wellen trugen uns zurück zum Startpunkt,
wir mussten wieder von vorne starten,
noch ein Versuch,
noch einmal Kraft,
noch einmal Hoffnung.

Jeder hielt die Hand eines anderen,
sie ruhten aufeinander,
unterstützten einander,
lehnten aneinander,
ihre Herzen schlugen füreinander,
meines war allein.

Bevor wir erneut aufs Meer fuhren,
verbrachten wir eine weitere Nacht im Wald,
zwischen meinem Traum und mir
stand das riesige Meer
und eine Hoffnung,
die immer kleiner wurde.

Als wir endlich das Ufer erreichten,
fand ich mich allein
auf einer Bank.
Eine weitere kalte Nacht in der Fremde –
und ich in ihr.

Ich schloss meine Augen,
nahm mich in die Arme.
Da wusste ich, wie allein ich bin.