NWZ berichtet über Lesung von Cornelia Jacobs und Reinhard Rakow 'Adressat unbekannt' zum 9. November
Briefroman beeindruckt mit beklemmender Aktualität
Rakow und Josephs erwecken Kressmann Taylors Figuren zum Leben
Reinhard Rakow und Cornelia Josephs lasen den Briefroman „Adressat Unbekannt“ in verteilten Rollen.
Bild: Evelyn Eischeid
Elsfleth „Adressat unbekannt“. Dieser fiktive Briefroman aus der Feder der amerikanischen Autorin Kathrine Kressmann Taylor (in der Neuübersetzung „Empfänger unbekannt“) war am Montagabend auch dem größten Teil der Lesungsbesucher im Haus Elsfleth des Schiffahrtsmu-seums unbekannt.
Der Initiator der Berner Bücherwochen, Reinhard Rakow, und die Lehrerin der Berner Oberschule, Cornelia Josephs, demonstrierten mit ihrer Lesung an diesem 9. November, dem 77. Jahrestag der Pogromnacht, dass das 1938 in den USA erschienene literarische Meisterwerk bis heute nichts von seiner beklemmenden Aktualität verloren hat. Auch 2015 grassiert Fremdenfeindlichkeit in vielen Staaten Europas, weltweit wuchert der Nationalismus.
Zum Inhalt: Zwischen den beiden Besitzern einer amerikanischen Kunstgalerie, Martin Schulze und Max Eisenstein, existiert eine innige Freundschaft. Die setzt sich in gegenseitigen Briefen fort, als Martin Schulze 1932 San Francisco und damit seinen jüdischen Freund Max verlässt, um nach Deutschland zurück zu gehen. Es dauert nicht lange, bis Martin dem braunen Gift der Nationalsozialisten erliegt und der Tenor seiner bisher liebenswürdigen Briefe sich in Borniertheit und Hass auf alles Jüdische wandelt.
Er fordert Max auf, die Korrespondenz einzustellen. Als der Deutsche Martin Schulze die Schwester seines Ex-Freundes Max in den Tod treibt, rächt sich der jüdische Kunsthändler mit konspirativen Briefen an Martin, deren Inhalt über angeblichen Kunstschmuggel jeden Zensor in helle Aufregung versetzen. Martin fürchtet das KZ und bittet den Ex-Freund inständig die Briefe einzustellen. Max dagegen schreibt noch zwei weitere Briefe, der dritte kommt aus Deutschland zurück mit dem Vermerk: Adressat unbekannt.
Die Lesung machte es den Zuhörern im Haus Elsfleth nicht leicht, sich aus Beklemmung und Betroffenheit zu lösen. Die melancholischen Akkordeonklänge, mit denen die Kantorin Natalia Gvozdkova die Lesung begleitete, setzten musikalische Akzente, die dem Thema des Abends entsprachen.