Presse berichtet über Reinhard Rakows neues Buch: Familenausstellung. "Frauen sind stärker als Männer"
Frauen sind stärker als Männer
Es ist zumeist der erste Satz, der den Leser anspricht, ihn anspringt, gleich hineinsaugt in die Handlung und kaum noch innehalten lässt, die erzählte Geschichte zu ergründen, schwarz auf weiß, bis zur letzten Zeile. Entweder, man ist gepackt von der fesselnden Wortgewandtheit des Autors, oder man steigt nach der ersten Seite aus.
Bei Reinhard Rakow sitzt der erste Satz: „Das Frühjahr des Jahres 1997 war das Jahr nach der schlimmen Liebe.“ Der Berner Autor trifft sogleich den Ton, umgarnt den Leser. Schlimm. Liebe. Schlimme Liebe? Es ist die mächtige und wandelbare Sprache des Künstlers, die seinem kürzlich erschienen Erzählband „Familienausstellung“ jenen Zauber gibt, der ein fantastisches Werk unsterblich macht.
An seiner 2020 erschienenen „Familienausstellung“ hat Reinhard Rakow mehrere Jahre gearbeitet. Die gleichnamige Erzählung darin schrieb er an einem Stück. „In mir brodelte es seit Jahren“, erzählt der gebürtige Gelnhausener (Hessen), Jahrgang 1952, der seit 2008 in Berne lebt. Reinhard Rakow hat Rechtswissenschaften, Psychologie und Germanistik studiert. Vielleicht ist es ja die Melange aus diesen Disziplinen, die seinen Geschöpfen eine immense Strahlkraft verleiht. Da ist zuallererst ein alternder Mann, der von seiner zweiten, jungen Frau unbedingt noch ein Kind will. Als das Kind ausbleibt, beginnt für sie ein Martyrium. Ihre Rache ist in der ersten Erzählung „Familienausstellung“ ebenso kreativ wie grausam. Die junge Malerin triumphiert schließlich nach langer Schmach.
Männer kämpfen gegen Frauen, die mehr oder weniger dämonenhaft daherkommen, schreibt Helga Bürster in ihrem Nachwort zum Band „Familienausstellung“. Die Frauen seien die Stärkeren. Am Ende triumphierten sie oder überlebten schlicht und machten weiter, wie die Bauersfrau aus „Dass alles so rein bleibt.“ Eine gestandene Landfrau, die auf sich gestellt den Laden am Laufen hält, während der Bauer kränkelt und die Söhne heftig pubertieren.
Zwei starke Frauen in den Erzählungen „Familienausstellung“ und „Dass alles so rein bleibt“, zwei männliche Hauptcharaktere in „VaterMutterHundeSohn“ und „Nägelschläge“: Ein hochbegabter, doch lebensuntüchtiger junger Mann, der über Drogen auf die schiefe Bahn gerät sowie ein alleinstehender Rentner, dessen Leben aus einer einzigen Kette von Niederlagen und Scheitern besteht: Das sind die vier Heldinnen und Helden in Reinhard Rakows neuem Erzählband „Familienausstellung“.
Reinhard Rakows Erzählungen sind vielschichtig. Er kommuniziert mit dem Leser auf unterschiedlichen Ebenen, spielt mit ihm, ringt ihm Wissen ab. So streift beispielsweise auch etwas von Vladimir Nabokovs Lolita durch die erste Erzählung. „Meine Bücher sind Gesprächsangebote“, sagt er. Man habe schon den Anspruch, gehört, wenigstens verstanden zu werden.
Zu hören, zumindest zwischen den Zeilen, ist die „Winterreise“ von Franz Schubert. Der Maler Reinhard Rakow hat zu diesem Liederzyklus 24 großformatige Ölbilder geschaffen. Das Titelbild von „Familienausstellung“ stammt auch von ihm: „Betrogene“. Als Bild in einem hölzernen Rahmen konzipiert, wirkt das Cover passend gespenstisch.
Reinhard Rakow schreibt, seitdem er zurückdenken kann. Anfangs achtete er streng auf die Fiktion. „Ich hatte meine Schwierigkeiten, autobiografisch zu schreiben.“ Doch jedes Werk enthalte autobiografische Elemente – bis zum letzten Satz.
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Der Erzählband „Familienausstellung“ von Reinhard Rakow ist 2020 im Geest-Verlag erschienen. Vier Erzählungen auf rund 520 Seiten liegen vor. Der Titel der ersten Erzählung ist gleichzeitig auch Titel des Buches, das über den Buchhandel und den Verlag bestellt werden kann zum Preis von 14,80 Euro. (geest-verlag@t-online.de).
Das Nachwort stammt von Helga Bürster, Jahrgang 1961. Sie studierte Theaterwissenschaft, Literaturgeschichte und Geschichte.
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