Projekt mit Gymnasiums Bad Zwischenahn/Edewecht über Verfolgung und Ausgrenzung im Faschismus

Der Seminarfachkurs des GZE „Schicksals- und Familienforschung im Ammerland von der Weimarer Republik bis 1945“ plant ein Buchprojekt in Kooperation mit dem Geest-Verlag Vechta zum Thema „Zwangsarbeit. Formen und Folgen.“ Das geplante Buch soll 1.) einen  (geschichts-)wissenschaftlichen, reportierenden und  analysierenden Teil und 2.) einen literarischen Teil umfassen. Beide Teile sollen von den Schülern des Kurses erarbeitet und niedergeschrieben werden.

 

1.    Verschränkung von wissenschaftlichem Arbeiten und literarischem Schreiben,
von abstraktem Faktenwissen und konkreter emotionaler Befindlichkeit

Neben die analytisch-wissenschaftliche Ebene soll für die Jugendlichen in diesem Projekt die literarische Ebene treten, die die gewonnene Erkenntnisse über Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung von Menschen im Nationalsozialismus im regionalen Raum vertieft und bei ihnen lebensgeschichtlich einbettet. Anders ausgedrückt: Wissenschaftlich gewonnene, rationale, allgemeine Einsichten sollen im literarischen Prozess individualisiert und emotionalisiert werden.

Unter Anleitung von Verlagsleiter Alfred Büngen vom Geest-Verlag sollen die Jugendlichen in einem Schreibprozess gewonnene Einsichten und Erkenntnisse in eine fiktive literarische Ebene umsetzen, die den Lesern (Erwachsenen, jugendliche Leser) die Dimensionen von Ausgrenzung und Verfolgung im Nationalsozialismus in ihrem Zusammenwirken an einem einzelnen Ort näherbringen.

2.    Verschränkung von der Analyse geschichtlicher Voraussetzungen, gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und von deren Auswirkungen auf die (eigene) individuelle Ebene

Geplant ist das Schreiben von kurzen Erzählungen oder auch eines Romans, in dem die zentralen Figuren der Handlung historische Jugendliche im Alter der teilnehmenden Schüler selbst sind.

Durch den Aufbau einer literarischen Erzählhandlung sind die Schüler – die heutigen  Jugendlichen –  gezwungen, sich mit den einzelnen Figuren der Handlung intensiv. auch auf einer emotionalen Ebene, auseinanderzusetzen: Welche Gedanken und Gefühle prägen Jugendliche in den Jahren 1933 bis 1945 in den unterschiedlichen sozialen Gruppen? Was sind die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen? Das sind Folien, auf denen die Handlung des fiktiven Erzählens sich entfalten kann. 

Durch die Verwebung von individueller Voraussetzung und gesellschaftlichem Rahmen können nun die einzelnen Mechanismen von Verfolgung, Ausgrenzung und Vernichtung in einzelnen Schritten ausgearbeitet und auch emotional nachgestaltet werden. Über die Gestaltung fiktiver Figuren und einer fiktiven Handlung werden historisch-strukturelle Prozesse erfassbar. Dieses Verfahren (wissenschaftliches Forschen, literarisches Schreiben und, begleitend, „emotionaler Nachvollzug“)  verhilft dazu,  eine Art ‚demokratischen Schutzfaktor’ bei den Jugendlichen aufzubauen. Geschichte wird im wahrsten Sinne lebendig, auch als eine Dimension zukünftigen Handelns.

3.    Schreiben als „nachfühlendes“ Sich-Aneignen von Wissen

Der Schreibprozess soll mit den Jugendlichen so angelegt werden, dass nach Erarbeitung grundlegender Strukturen nationalsozialistischer Entwicklung im allgemeinen und im regionalen Raum im besonderen ein Gespräch über die möglichen Varianten des Schreibens geführt wird (Roman oder Kurzgeschichten).

Anschließend wird ein Figurenensemble angelegt, bei denen die Jugendlichen jeweils verschiedene literarische Figuren übernehmen. Gedacht ist daran, die Entwicklung einer Schulklasse in diesen Jahren zu zeichnen, also die Entwicklung untereinander, aber auch ihre jeweiligen Reaktionen auf die gesellschaftlichen Entwicklungen.  Also: Wie denken zum Beispiel  die verschiedenen Figuren, wenn etwa ein Jugendlicher der Klasse wegen seiner jüdischen Mutter von der Schule verwiesen wird? Etc. etc.; auch einzelne Handlungsstränge (etwa Kontakt eines Jugendlichen zu Zwangsarbeitern etc.) sind denkbar.

In einem abschließenden Schreibprozess sollen die einzelnen Schreibelemente zusammengefügt und zu einem Buch verarbeitet werden, das u.a. in öffentlichen Lesungen vorgestellt wird.