Reinhard Rakow - Wintermorgen. Triptychon
Wintermorgen. Triptychon
(1)
scherenschnittschwarzweiß im garten
pappschneetiefschläge bei nacht
krähen um schornsteine knarrten
krallen im frostgrund frei scharrten
faulfleisch, der not zugedacht
bauern verloren die herde
penner erfroren zu tod
kein stein, der sie beschwerte
kleine leichname deckt´ erde
blaureif und morgenrot —
manchmal erwach ich zum leben
manchmal erschreckt wie ein kind
wohin gedanken mir streben
wohl zu im herzen dem splint.
(2)
Natürlich, wir wussten, dass es so kommt, manch
Wort war lang schon verjährt, zu Frost erloschen,
Der Anspruch auf- und untereinander
Verbraucht im Laufe der Zeit ...
Dem Würgegriff die Adern schutzlos
Überlassen der Winde.
Winterlieder war´n wärmer einst, lautloser
Der Habicht, sein Sturz aus dem Baum,
Schärfer die Krallen, die schlugen ins Aas;
Leuchtender aber der Schein
Von Lagerfeuern brennender Kälte
In unser Gedächtnis.
Dies durchsichtig kalte Blau! Des Morgens, wenn
Es dem Rot wich, weil keiner wusste, wohin
Des Weges. Doch sinnlos, folgend dem
Eingeständnis, fiel leise
Und tanzt´, als wär´s ein besoffenes Kind,
Ausgelassen so: Schnee --
Ach!, der Eisvogel ist lang schon verzogen
In günst´gre Gefilde; unwirtlich
Die Zonen, da tropfte, wenn´s taute, Blut ...
Wohlig in weiche Wasser
Tauchet die Sonn´ ihr funkelnd Gefieder.
Perlen reihen am Draht.
(3)
auf hellt mählich der nahende tag
die schläfrige stadt drängt
ihr inventar dem auge auf schiebt
die aushärtende kontur
behutsam durch die pupille:
die klötze von beton und stahl
die schwarzen abweisenden scheiben
die mächtigen pfeiler der s-bahn
die blinden passagiere
die am fensterkreuz hängen
das schweigen
der erfrorenen
schemen schwanken
hundpunkte wuseln
radfahrer huschen
durchs klirrende still
der alleinheit