Tolle Rezension von Heike Avsar über 'So bleibt mir nur die Hoffnung'
Olaf Bröcker (Hg.) mit Lukas Bert u. a.
So bleibt mir nur die Hoffnung – Roman über das Leben von Jugendlichen im Nationalsozialismus
Rezension auf Spandau4u.de
http://www.spandau4u.de/pop19.html
Mit der Machtübernahme Hitlers im Jahr 1933 und seinen dämonischen nationalsozialistischen Ideologien ändert sich alles bisher Erlernte und Vertraute. Von einem Tag auf den anderen ziehen nicht nur Hakenkreuz, Führergruß und Rassenkunde sondern auch Propaganda und Hass, aber auch Begeisterung und Angst in den Schulalltag ein.
Aus Freundschaft wird teilweise Feindschaft ...
Mit Oberstudienrat Keuler, dem neuen Lehrer und überzeugten Nazi, weht nun ein anderer Wind als bisher. Absoluter Gehorsam, nationalsozialistische Erziehung und von Beginn an klargestellt, dass die arische Rasse allen anderen überlegen sei, Juden und Schwarze minderwertig sind und Behinderte keine Daseinsberechtigung haben.
Als anhand mathematischer Beispiele durchgenommen wird, wie viel Geld Behinderte den Staat kosten und dass das künftig vermieden werden könnte, ist der Großteil der Klasse geschockt. Nicht nur in Karin, die einen behinderten Bruder hat, setzt sich von nun an die Angst fest.
Anders Inge und Christa, beide stolz darauf, engagierte Mitglieder im BDM zu sein, die im Wandel ihre Zukunft in der NSDAP sehen. Auch Hans, Nazi-Sohn, stolz, Teil der arischen Volksgemeinschaft zu sein und hochmotiviert in der Hitlerjugend, ist begeistert.
Als Heinz, dessen Mutter Halbjüdin ist, eines Tages mitten im Unterrichtsgeschehen der Schule verwiesen wird, kann der Großteil der Klasse nicht verstehen, warum er gehen musste. In den Augen von Hans eine längst überfällige Notwendigkeit, die Schule endlich judenfrei zu bekommen.
Die Saat des Bösen ist aufgegangen, die Hetzjagd hat begonnen.
Von nun an sind nur noch die Gedanken frei. Wem kann man vertrauen, wem nicht?
Man läuft mit, weil es keine andere Wahl gibt. Wahrheiten werden nur noch wenigen Menschen und dem Tagebuch anvertraut.
Als 1941 alle Jungen der Klasse zum Kriegseinsatz eingezogen werden, ist die Verwunderung groß, dass auch Heinz, der als „Vierteljude“ nie wieder die Schule betreten durfte, an die Front muss. Später, als Heimkehrer mit einer Kriegsverletzung, erhält er paradoxerweise vom „Führer“das Eiserne Kreuz I. Klasse. Doch seine Abscheu gegen das Regime bleibt.
Die Greultaten nehmen zu: Karin wird zwangssterilisiert, ihr Bruder fällt dem Euthanasie-Programm zum Opfer. Der stets beliebte Siegfried lässt im Polenfeldzug sein Leben.
Selbst die asthmakranke Waltraud wird wegen „angeblicher Verfehlungen“ zur Zwangsarbeit ins Jugendschutzlager Uckermark gebracht und später ins KZ Ravensbrück verlegt. Stillschweigen und dennoch unsagbare Wut auf Hitler, prägen nun den Alltag. Und unsere jungen Protagonisten fragen sich: wann hört es endlich auf?
Doch die ersten Bomben fallen nun auch auf Vechta ...
Ich zähle dieses Buch zu einem der inhaltlich wichtigsten und besten Bücher, die ich euch im Laufe der Jahre vorgestellt habe. Eine hervorragende Leistung junger AutorInnen, die einfühlsam und glaubwürdig mit historischem Hintergrund in den Rollen sehr unterschiedlicher Charaktere ein kleines Meisterwerk gegen das Vergessen geschaffen haben. Kein leichter Stoff, aber wichtiger denn je, um dem zunehmendem Rechtsruck der durch unser Land geht, die Stirn zu bieten. Ein Projekt, das Schule machen sollte.
Mit einem sehr mutigen und ehrlichen Vorwort einer 89jährigen Zeitzeugin.
Auf youtube findet ihr bei Titeleingabe ein Interview mit Schülern zum Buchprojekt.
„So bleibt mir nur die Hoffnung“ ist im Geest-Verlag erschienen, 516 Seiten, 14,80 €.
Heike Avsar