Wagenfelds letzte Hinrichtung (1782)- aus: Timo Friedhofs neuem Buch: Kapitalverbrechen und andere Äußerungen menschlicher ....

Aus Timo Friedhoffs neuem Buch

Kapitalverbrechen
und andere Äußerungen
menschlicher Destruktivität
am Beispiel von Wagenfeld
vom 18. bis zum 20. Jahrhundert

sei hier ein kleiner Ausschnitt über Wagenfelds letzte Hinrichtung abgedruckt.

 

2.1    Wagenfelds letzte Hinrichtung

Wagenfeld, am 14. August 1782: Eine große Menschenmenge ist in Wagenfeld auf den Beinen und strömt nach Haßlingen zum Gerichtsplatz. Spannung liegt in der Luft, denn den Wagenfeldern steht ein Ereignis bevor, ein großes Spektakel, das wahrlich nicht alle Tage zu beobachten ist – eine Hinrichtung. Schon wird der wegen Mordes zum Tode durch das Schwert verurteilte Haßlinger Einlieger und Schneider Johann Friedrich Daniel Rat-zer auf einem Karren, dem Henkerskarren, von der Auburg zur Hinrichtung auf den Haßlinger Gerichtsplatz gefahren.
Durch einen als üblen Streich geplanten ‚Denkzettel’ für seinen Freund war Ratzer zum Mörder geworden, hatte sich ergreifen lassen und war dann ein Jahr lang auf der Auburg interniert gewesen, um das Urteil, das in Rinteln gefällt wurde, abzuwarten. Das Urteil lautete auf Todesstrafe durch das Schwert. Diese Hinrichtung sorgte in ganz Wagenfeld für Aufregung. Etliche unserer Vorfahren werden Ratzer gekannt haben und werden unter den Schaulustigen gewesen sein, als sein Kopf auf dem Schafott unter dem Schwert des Henkers fiel.
Der damals noch sehr junge Wagenfelder Pastor Conrad Philipp Wilhelm Kahler, gerade erst nach Wagenfeld gekommen, und sogleich vor die schwierige geistliche Aufgabe gestellt, einen Delinquenten auf dessen Tod vorzubereiten, hat die Geschehnisse ausführlich niedergeschrieben. Sechs Kirchenbuchseiten füllt sein Bericht – womöglich hat er auch dazu gedient, sich das Erlebte von der Seele zu schreiben ...

Timo Friedhoff

Kapitalverbrechen
und andere Äußerungen
menschlicher Destruktivität
am Beispiel von Wagenfeld
vom 18. bis zum 20. Jahrhundert

Geest-Verlag 2010

ISBN 978-3-86685-254-9  

ca. 480 S., zahllreiche Abbildungen                                                        

15 Euro

Auch wenn es zumeist den Anschein hat – Unfälle und private Katastrophen, Familientragödien und andere schwere Verbrechen, ja sogar Mord und Totschlag sind keine Phänomene, die sich immer nur in weiter Ferne ereignen und lediglich mithilfe von Zeitung, Fernsehen und Internet nahe an uns herankommen. Selbst in beschaulichen Klein-städten und Dörfern haben sich all solche Schrecknisse, welche man zumeist nur aus den Medien kennt, schon ereignet – manche dieser traurigen Fälle vor noch nicht allzu langer Zeit. Doch mit der Zeit ver­blasst die Erinnerung und der trügerische Schein `so was gibt das bei uns nicht` breitet sich wieder aus.
Das hier vorliegende Buch widmet sich am Beispiel des Ortes Wagen­feld den Morden und Totschlägen, Verbrechen, Unglücksfällen und ande­ren zu verschleiern versuchten Geschehnissen während der letzten drei Jahrhunderte. Die nachweisbaren Fälle menschlicher Destruktivität in der Zeit vom 18. bis zum mittleren 20. Jahrhundert werden aufgedeckt und beleuchtet. Die inhaltliche Spanne der untersuchten Beispiele ist dabei sehr breit gefächert. Angefangen bei Gefahren, die aus der Um­welt der Menschen und ihrer Arbeitswelt erwuchsen, reicht sie über Lug und Betrug, über Diebstahl und Raub bis hin zu reinen Kapital­verbre­chen.
Diese Ereignisse wieder ans Licht zu bringen und an die Menschen zu erinnern, die ihnen zum Opfer gefallen und deren Namen inzwischen vergessen sind, gilt das Ansinnen dieser Arbeit.

Timo Friedhoff wurde 1979 in Diepholz geboren und wuchs in Wagen-feld auf. Bereits als Jugendlicher begann er, sich mit der Geschichte seiner Familie und der seines Heimatortes zu beschäftigen. Seit 1997 betreut er ehrenamtlich das Wagenfelder Pfarrarchiv. Im Jahre 2004 wurde er zum Archivar der Gemeinde Wagenfeld berufen. Nach dem Studium der Forstwissenschaften und Waldökologie lebt und arbeitet er zwar in Göttingen, befasst sich aber in seiner Freizeit schwerpunkt-mäßig mit der bäuerlichen Wirtschafts- und Sozialgeschichte seiner Heimat. Ebenfalls im Geest-Verlag veröffentlichte er 2008 Wagenfelder Fragmente. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Wagenfeld vom 18. bis zum 20. Jahrhundert.