Weil jede Reise einmal zu Ende geht - ein Lesebericht zu Holger Küls Gedichtband "Eine halbe Stunde Nähe" von Philipp Létranger
Holger Küls dritter Gedichtband ist im August 2025 bei Geest erschienen. Die Grafiken im Buch hat sein Sohn Jari Küls beigesteuert.
Wer sich auf die hier versammelten Texte einlässt, fällt aus dem Lärm dieser Zeit heraus, verlässt das Geklingel von Facebook, Instagram und Tiktok und die schrillen Töne der Nachrichtenwelt, betritt ein oft vergessenes Land, in dem Rückbesinnung, Hinschauen und Langsamkeit aufleben können.
Das Buch enthält vier Kapitel und ein Nachwort von Hans Georg Bulla, in dem er uns den Autor als Dichter und Mensch ein wenig näherbringt. Das erste Kapitel schöpft aus Erinnerungen. Holger Küls beschreibt sie mit sanfter Feder, als interessiere ihn gerade die stille Rückseite des Dramas, nicht die laute Fassade. Kindheit, Familie, Liebe, Krankheit, Tod - alles spiegelt sich hier in kleinen Gesten und sparsamen Bewegungen. Das zweite Kapitel "Kein großer Bahnhof" berichtet vom Unterwegssein. "Ein Gedicht entsteht, weil das Leben eine Reise ist .... weil jede Reise zu Ende geht", lese ich gleich zu Anfang im ersten Gedicht des Kapitels, und von Bahnsteigen, Bergen, Stränden, Städten und täglichen Fahrten erzählen die Gedichte in der Folge. Das dritte Kapitel durchstreift die düsteren Tage des Lebens. Von Tod und Trauer ist die Rede, von Kriegstraumata, die noch das Leben der Nachkommen überschatten, von Fluten und Überschwemmungen, großen und kleinen Katastrophen. Kapitel Vier "Jeden Morgen neu" sammelt Gedichte, die dem Alltag oder der Erinnerung an die vielen kleinen, undramatischen Szenen gewidmet sind, die unser Leben füllen und ausmachen. Dennoch gehen sie oft unter im Lärm der "Gewichtigkeiten". Wir sind es selbst, die aus Leben "Alltag" fabrizieren.
Was kennzeichnet die Gedichte in diesem Buch? Was macht ihren Reiz aus? Es ist der wache besonnene Blick, den der Autor auf sein Leben und die Menschen darin richtet, die sanfte, vorsichtige Sprache, die Unaufgeregtheit, die alle Texte durchzieht. Wer gerne nach Sprachperlen taucht, im virtuosen Spiel mit Worten, Bedeutungen und Bildern aufgehen will, könnte enttäuscht werden. Es sei denn, es gelingt ihm, dem Autor zu folgen und den kleinen Gesten, Dingen und Begebenheiten nachzuspüren.
Besser als ich es kann, sagen Gedichte, wer und was sie sind - hier in den beigefügten Bildern. Ich wünsche dem Gedichtband einen guten Platz in zahlreichen Bücherregalen.