Wichtiger Bestandteil des Buches Dietmar Linke - Bedrohter Alltag - Ein Gespräch des Ehepaars Linke mit Jürgen Fuchs über die Notwendigkeit des Erinnerns

Hier nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Gespräch des Ehepaar Linke mit Jürgen Fuchs über die Notwendigkeit des Erinnerns und des Aufdeckens des Unrechts der DDR an ihren Bürgern. Das ganze Gespräch zu lesen im Buch vom Dietmar Linke, das in der kommenden Woche in der 4. Auflage erscheint

B. L.: Dahinter stecken Ängste. Es hieße, sich einem Blinden Fleck zu stellen, konkret, mit den Geschädigten zu sprechen, sie anzuhören und sich zu fragen, wer war ich in jener Zeit? Wie habe ich mich verhalten?
Ich vermute, nach 1945 war ein ähnliches Klima in Deutschland. Wir haben gestern einen Bericht über Hannah Arendt gehört. Sie war nach Kriegsende erstaunt über diese Ver-harmlosung der Vergangenheit und den Eifer der Deutschen, zur Tagesordnung überzugehen. Sie war 1950 in Deutschland und fand diesen Eifer vor, diese Geschäftigkeit. Geschäftigkeit bedeutet auch, nicht innezuhalten und über das Geschehene zu reflektieren, es zur Kenntnis zu nehmen. Eine ähnliche Stimmung erleben wir heute. Defensive, sagst du. Wichtig finde ich, die Möglichkeiten herauszufinden, die es in einer Demokratie gibt.
J. F.: Ich finde euch in keiner Weise defensiv. Ich empfinde euch als realistisch, mutig, energisch. Ich empfinde euch solidarisch gegenüber anderen und euch selbst. Ich wollte nur andeuten, dass es sowieso keine Möglichkeit gibt, die Taten von Wiegand und anderen rückgängig zu machen, ob sie nun verstehen, was ihr für richtig haltet, oder ob sie bereuen, das ist fast eine untergeordnete Frage. Sondern dass es bei Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen dieser Art und auch dem, was man selber erlebt hat und andere erlebt haben, nur das produktive Dagegen gibt, human natürlich, aber das produktive Dagegen. Das drückt ihr für mich aus. Ich empfinde die Gesellschaft insgesamt als defensiv. Sich vorzustellen, Wiederholungen und Ausdehnung von solchen Geschehnissen [...] Umso wichtiger ist das, was ihr tut.