Wie eine 18jährige Autorin einen ganzen Saal zum Staunen bringt - Beeindruckende Buchpremiere am gestrigen Abend von Laura Sheila Jünemann

Welch wunderbare Buchpremiere. "Im Mondkleid Tränen sonnen." Mehr als 70 Freunde, Bekannte, Lehrer, Schulleitung des Gymnasiums Antonianum und Literaturinteressierte waren am gestrigen Abend gekommen, um die Buchpremiere von Laura Sheila Jünemann mitzuerleben. Und niemand bereute sein Kommen. Atemlose Stille herrschte während ihrer Lesung und nicht enden wollender Beifall am Ende der Veranstaltung, als ihr literarischer Ziehvater, Olaf Bröcker, ihre literarische und menschliche Bedeutung noch einmal unterstrich. Muikalisch wurde der Abend unterstützt von Lina Kasper, Valerie Kaufmann und Theresa Hemmersbach. Natürlich war auch der Zeichner des Buches, Frederik Kreyenborg, anwesend. Großformatige Kopien seiner Zeichnungen wurden am Ende der Veranstaltung vom Moderator des Abends, Alfrd Büngen, versteigert.

Hier die Rede von Olaf Bröcker zum Buch und zur Autorin:

Spuren
Weiß genau, wie dein Schatten aussieht –
geflickte Musik in kariertem Blau und Katzengrün,
heimlich in den Boden gewitzeltes
Reifenquietschen,
Weihnachtsaugenworte -
nur, wie du aussiehst, weiß ich nicht.

Weihnachtsaugenworte, in den Boden gewitzeltes Reifenquietschen … wie so oft hat Laura Worte angereiht, verknüpft, verbunden, zusammengeklebt. Ich mag diese Art zu schreiben. Laura findet ihre eigene Sprache. Es ist nicht Peter Bichsels „zu dem Tisch sagte er Teppich“, es ist viel komplexer und eigentlich auch viel einfacher – wenn es den Leser erreicht.

Augenspiegel
Lichtverwanderte Schattenbäume
schleppen ihre verfressenen Kronen
in luftgefederte Sterblichkeit.
Du siehst zu mir herüber und weißt nicht,
wo du stehst.
Nur
neben mir –
und schaust dir deine Gedanken an.

Lichtverwanderte Schattenbäume … mein Rechtschreibprogramm hat schon lange das Handtuch geworfen … ist eben nicht seine Sprache, ist Lauras Sprache. Und Lauras Sicht auf Beziehungen. Glauben Sie mir: Ob man ein Bild als Impuls gibt, ein Wort, oder einfach nur eine Serviette zusammenknüllt: Laura kann aus allem einen Beziehungstext machen.
In der Schule hängen wir seit einigen Wochen immer das „Politische Gedicht der Woche“ aus. Als ich die Idee aufbrachte, fragte Laura: „Muss es politisch sein?“ und als ich ja sagte, meinte sie: „Dann bin ich raus!“

Alte Perspektiven
Ich habe eine Liste und da steht alles drauf,
was ich brauchen kann und nicht haben will.
Aufgeschrieben, unterschrieben,
unverstanden angesehen.
Schwarz geformte Hilfe
dringt in weißen Alltag
und zerschneidet ordnungsgemäß
das Bild vor mir.
So deprimierend einfach, so höhnisch komprimiert,
lächelt mich das an,
was sie Möglichkeit zu nennen versuchen.


Finden Sie, Laura ist raus? Laura versteht viel mehr davon, als sie zugibt; ihre Offenheit in der Schreibwerkstatt, Woche für Woche, ihre Behutsamkeit im Umgang mit den Texten anderer zeigen das. Ich darf daran teilhaben, auch davon lernen. Dafür an dieser Stelle schon einmal meinen Dank, Laura!
Lauras Texte kreisen oft um die Themen Zeit und Tod. Die Themen, teilweise auch nur als Motive eingesetzt, erscheinen in vielfältigen Formen, in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen. Wieder sind viele Beziehungstexte dabei. Ich mag den folgenden, vor allem wegen seines Titels:


Lass mich ungeflickt


Wenn all meine zarten Äste brechen
und sich durchs Fleisch bohren
um zu zeigen
wie leid es ihnen tut

wirst du nicht warten
bis die Rinde zu Stein wird
und mein Anblick nicht mehr schmerzt

Du wirst nicht damit trösten
dass aus den Erden meiner Schmerzen
grüne Knospen wachsen

Aber du wirst da sein
und meine zerfetzte Hand fassen
und in meine Augen sehen
und daran denken
wie stark ich hätte sein können


Die Aufforderung des Titels scheint dem Text zu widersprechen, scheint geradezu unmenschlich – aber menschlich ist es, Schmerz zuzulassen, vielleicht auch, ihn anzustreben, nicht zu verleugnen.


Wenn man Zeit beweisen müsste,
gäbe es nur Zweifel,
und wir alle sind die Angeklagten.


So beginnt ein weiterer Text in dem Buch „Im Mondkleid Tränen sonnen“. Sie verstehen nicht? Doch doch, tun Sie! Ich habe aus jedem der fünf Kapitel einen Text herausgesucht, die Auswahl fiel schwer. Wegen der Themen, natürlich wegen der Qualität der Texte. Verstehe ich sie? Nun, jeder der Texte ruft mir, ruft Ihnen zu:
„Whatever I am to you that‘s fine“