Wildeshauser Zeitung berichtet voller Hochachtung von der Premiere Günter Bergers am gestrigen Sonntag

Komponist Günter Berger gibt tiefe Einblicke in Erinnertes und Inneres

Berührende Reise in ein Musikerherz

 

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Wildeshausen - Von Anja NosthoffNEERSTEDT. Auf eine berührende Reise mitten in sein Musikerherz nahm der Dötlinger Komponist Professor Günter Berger gestern seine Zuschauer im voll besetzten Neerstedter Theater mit. Mithilfe einiger Freunde und Familienmitglieder stellte er seine Autobiografie mit dem Titel „Vaters ‚Kalikukafranz' – Autobiografische Bilder“ vor.

Authentisch brachte Berger rüber, wie er als kleiner Junge der interessierten Nachbarin begeistert von seiner Leidenschaft erzählte und jedes Detail des Orgelspielens erklärte. ·

Schon Bergers erster Bühnenauftritt ließ die ganz besondere Energie des 84-Jährigen spüren. Ganz leicht war es, sich den Herrn mit buntem Hut und gelbem Jackett als kleinen Jungen vorzustellen, den die Musik wie nichts anderes begeisterte, der seine ganz eigenen Ansichten über die Welt und über den damals wütenden Nationalsozialismus hatte und den die Sommerwolken inmitten eines oberschlesischen Landidylls im Gras liegend zum Träumen brachten. Liebevoll wurde er vom Vater „Kalikukafranz“ genannt. Diese Sichtweise als Träumer und Andersdenker im positiven Sinne zieht sich durch sein ganzes Leben.

Dass es in diesen fast 85 Jahren auch Zweifel und Tiefpunkte gab, machte Berger gleich zu Anfang auf der Bühne klar. Die Energie der künstlerischen Frohnatur schlug in Verzweiflung um, als er in wütender Geste seinen bunt glitzernden Hut wegwarf und mit donnernder Stimme von Totenbergen in Auschwitz und von Tränen, die ihn ins Krankenhaus brachten, berichtete.

Auf die literarisch eindrucksvoll vermittelten Gedanken zu den Verbrechen der Nazis und den Schrecken des Holocausts folgten erzählte und nachgespielte Kindheitserinnerungen. Da gab es den jüdischen Arzt, der dem vierjährigen Berger das Leben rettete, indem er ihn von Diphterie heilte. Oder den NS-Bonzen, von dem Berger als Sohn des Hausbesitzers Spenden für das Nazi-Winterquartier einsammeln musste. Oder die besorgte Mutter, die dem leidenschaftlichen und eigensinnigen Sohn nicht erlaubte, Stücke des von den Nationalsozialisten verbotenen Mendelsohn zu spielen. Da gab es auch die Kameraden in der Hitler-Jugend, die sich den verträumten Klavierspieler als Opfer zum Verspotten und Quälen aussuchten. Oder die alte – kräuterkundige – Jungfer, welcher der kleine Junge begeistert berichtete, wie er sich in der Kirche auf die Orgelbühne schlich, um die Nonne beim Spielen zu beobachten. Oder den Schäferhund Tell, mit dem er die Obstwiese, die mittlerweile einer „zerstörerischen Pipeline“ weichen musste, vor der diebischen Dorfjugend bewahrte.

Berger nahm seine Zuschauer jedoch nicht nur mit auf eine Reise in längst vergangene und doch aktuelle Zeiten; er ließ sich auch Abstecher in ferne Länder und fremde Kulturen, die er auf Reisen mit der „besten aller Ehefrauen“ kennengelernt hatte, nicht nehmen. Die beeindruckenste Episode erlebten die Zuschauer jedoch, als der Komponist im wahrsten Sinne des Wortes sein Herz öffnete und am Keyboard im Duett mit der Sängerin Elisabeth Muro über Liebe, Tod und Neubeginn sang. Das Stück, das Berger nach einer schweren Operation vor zehn Jahren begann, erlebte damit am Sonntag seine Uraufführung. Sein ganz persönlicher „Herzschmerz“ ist darin zu spüren, da er befürchtete, seine Frau allein zurückzulassen. Hebräische Worte, die sich in dem Lied finden, verweisen jedoch auch auf die Verbindung zum Leiden der Juden und auf die unsterbliche Hoffnung, die „trotz allem vom Leben und vom Neubeginn singen lässt“.

„Ich hatte gehofft, den vielschichtigen und immer etwas rätselhaften Günter Berger nach der Autobiografie besser zu verstehen und richtig zu kennen“, erklärte Alfred Büngen, Verlagsleiter des Geest-Verlags, in dem die Autobiografie erschienen ist, tief beeindruckt. „Am Ende der fast 600 Seiten musste ich jedoch feststellen, dass nicht nur meine Hochachtung noch gewachsen ist, sondern dass auch die Unfassbarkeit des Menschen und des Künstlers noch größer wurde.“ Das Besondere an dem Buch sei, dass die einzelnen Kapitel nur aus zwei bis vier Seiten bestehen. „Es sind Bilder“, so Büngen. „Berger hat eine ganz neue literarische Form gefunden.“