Wunschkind zerstört Träume einer Single-Frau - NWZ bringt Besprechung der Premierenlesung von Reinhard Rakow

Wunschkind zerstört Träume einer Single-Frau

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Literatur Neues Buch von Reinhard Rakow – Novelle feiert in Oldenburg als Konzertlesung Premiere

VON RENEÉ REPOTENTE

Berne/oldenburg Es beginnt mit dem Rhythmus einer hämmernden Schreibmaschine. Klänge auf Metall und Holz bilden eine Ouvertüre, an die sich nahtlos das gesprochene Wort fügt. Wenn man Autor Reinhard Rakow und Percussionist Gerhard Böhm zuhört, ist spürbar, wie Literatur und Musik zu einer künstlerischen Einheit verschmelzen. Rakows Novelle „Sonnenklirren“ (Geest Verlag, 190 S., 11 Euro�) feierte jetzt nach einer Vorstellung in der Wesermarsch auch im Oldenburger Musik- und Literaturhaus Wilhelm 13 als Konzertlesung Premiere.

Beginnend mit den Impressionen eines vergehenden Sommers, erzählt das Buch von einer Frau – einer typischen Vertreterin des Bildungsbürgertums in mittleren Jahren –, die in der Erfüllung ihres Kinderwunsches einen Ausweg aus ihrer emotionalen Starre sieht. Ein Brief an die tote Freundin bildet den zentralen Punkt der szenischen Lesung. Doch nähern sich, untermalt von dumpfen Tönen, die Vorboten einer bangen Vorahnung: Die Stille in ihrem Körper, gepaart mit Bildern von deformierten, mutierten Kartoffelkäferlarven kündet die Zerstörung ihrer Träume an. Das Baby kommt mit einer geistigen Behinderung auf die Welt, das erwartete Geschenk wird zu einer untragbaren Bürde. Bald ist das Wunschkind für die überforderte Mutter nur noch ein Ding, das schreit, sich einnässt und übel riecht, gleich einem Kuhfladen, auf dem sich die Fliegen niederlassen.

Der Berner Maler, Kulturorganisator und Autor konfrontiert seine Zuhörer mit einer Figur, die in ihrer absoluten, unverhohlenen Ablehnung nur schwer zu ertragen ist. Und doch kann man nicht anders, als ihr zu wünschen, sie möge doch noch ihre Liebe finden, während sie in ihrer einsamen Zweisamkeit auf eine unvermeidliche Katas­trophe zuzusteuern scheint. Das ist in der Tat das Herausfordernde, auf das Verleger Alfred Büngen in seiner Einleitung hingewiesen hat.

In der Hinführung auf den Höhepunkt hat der Rezitator Rakow seine besten Momente. Mutete das erste Dri ittel des Vortrags mitunter noch zu gebremst und überakzentuiert an, lotet er zum Ende hin das psychische Inferno seiner Protagonistin stimmlich umso souveräner aus. Darüber hinaus ist vor allem das Ineinandergreifen von Text und Böhms vielschichtigem Spiel eine Verbindung, die zu überzeugen weiß.