Zur Anthologie ' Leben will sich neu entfachen'

Zur Einleitung

„Wird das Leben jemals müde, sich neu zu entfachen?
Manchmal scheint es, als würde es in uns schlummern und auf sei-nen großen Auftritt warten. Manchmal scheint es unsichtbar, manchmal wollen oder können wir es nicht sehen, aber das Leben ist immer da und wartet darauf, dass wir ihm vertrauen und den Mut haben, es zu ergreifen.“
Christin Bartling schrieb diese wunderbaren Sätze als Ant-wort auf die in diesem Jahr gestellte Wettbewerbsaufgabe: Leben will sich neu entfachen. Bereits im Jahr zuvor ausge-schrieben, erreichte uns eine Flut von Einsendungen. Natür-lich ein Signal, dass der b-bobs-59-Literaturwettbewerb für Menschen mit Beeinträchtigung in seiner vierten Runde bei vielen Menschen einen festen Platz gefunden hat. Eine Reihe von Menschen mit Beeinträchtigung haben sich durch den Wettbewerb untereinander kennengelernt, tauschen sich aus und organisieren eigenständig Lesungen. Doch zugleich war die Menge der Einsendungen in diesem Jahr kaum zu bewäl-tigen. 2.500 Seiten Lektüre und Bewertung für die Jury, das ist mehr als ehrenamtliche Arbeit. Daher gilt mein großer Dank natürlich den Autor*innen, aber auch der Jury.
Bei der Lektüre der Beiträge werden Sie merken, dass jeder Text existenzielle Auseinandersetzungen beinhaltet. Inhalte, mit denen sich auch die Leser*innen erst einmal auseinan-dersetzen müssen, ebenso eine Jury. Wie soll man bewerten, welcher Beitrag also wesentlicher ist, um veröffentlicht zu werden? Der materielle Rahmen, nur durch Sponsoring einer Autorin, großzügige Unterstützung durch den Verein Kultur lebt e. V. ist die Veröffentlichung dieses Buches möglich, beschränkte uns zudem auf eine Buchausgabe. Und es ist uns mehr als schwergefallen, vielen Hundert Teilneh-mer*innen eine Absage zu geben, obwohl jeder eingeschick-te Beitrag ein wichtiger Beweis dafür war, dass Leben sich neu entfachen will. Ich verstehe enttäuschte Rückmeldun-gen, da in jedem Beitrag ein Stück Lebensmut steckt. Doch es ist nun einmal ein Wettbewerb ausgeschrieben, zudem noch ein literarischer Wettbewerb.
Die Jury hat eine gute Auswahl getroffen. Vor Ihnen liegt ein Buch, das in sehr differenzierter Weise aufzeigt, wie sich Leben neu entfachen kann, wie es gelingt, eigenen Mut zu entwickeln – und auch wieder zu verlieren. Die Texte zeigen zudem, dass es möglich ist, Menschen mit den verschiedens-ten Einschränkungen zu einem gemeinsamen Wettbewerb einzuladen und ihre Beiträge in ein gemeinsames Buch zu-sammenzuführen. Noch einmal zeigen die Texte auch, wie wichtig es ist, Menschen mit ihrer Beeinträchtigung wahr-zunehmen in ihren Problemstellungen. Diese Probleme schildern, das können die hier vereinten Autor*innen als ‚Fachleute‘ am besten, besser als jeder Wissenschaftler, ja, auch besser als Autor*innen ohne Einschränkung mit ihren fiktiven Darstellungen, viel besser als jede KI.
Ich kann nur alle Autor*innen dieses Wettbewerbs bitten: Schreiben Sie weiter, bringen Sie Ihre Problemlage überall zur Sprache, nehmen Sie auch zu allen gesellschaftlichen Fragen Stellung. Die weltpolitische Entwicklung mit den Kriegen in der Ukraine, im Nahen Osten und in vielen ande-ren Regionen der Welt, die Entdemokratisierung in unserer Gesellschaft, die immer weiter auseinanderklaffende Lücke zwischen Arm und Reich verlangen Ihre Stimme, denn Sie haben uns mit Ihren Beiträgen gezeigt, wie sich Leben neu entfacht.

Alfred Büngen