07.11.2020 - aktueller Autor - Gerhard Roos

Gerhard Roos, geboren 1943, war im rheinland-pfälzischen Taunus Pfarrer. Im Ruhestand in seiner Wahlheimat zwischen Jadebusen und Weser bewegt ihn die Geschichte dieser Dörfer und des lebensnotwendigen Deichbaues. Davon erzählt er in einer Mischung aus Fakten und Ersonnenem.

Im Geest-Verlag erscheint in Kürze

Gerhard Roos

Am Außendeich

Ein historisches Geschehen

Geest-Verlag 2020

ISBN 978-3-86685-812-1                                    

ca. 130 S., 11,- Euro

 

Ein Zufallsfund bringt Vergessenes in die Gegenwart: Das Mittelalter geht zu Ende, Veränderungen brechen an. Auch im Leben des jungen Mönchs Clemens. Eine ihm bisher fremde Landschaft, ihre Menschen und ihr Schutzbedarf ziehen ihn in ihren Bann. So ändern sich seine Aufgaben und Ziele. Das hat Wirkung bis heute.

 

daraus einen Ausschnitt:

Der Fund


Sie war nur dreiundachtzig Jahre alt geworden und hatte doch in den Osterferien noch so rüstig und gesund gewirkt. Herbert Fuchs und seine Ehefrau Claudia konnten es noch immer nicht fassen, wie abrupt das Leben, das Herberts Tante Christa so gelassen und zufrieden gelebt hatte, mit einem Mal zu Ende gekommen war. Da die Bestattung am Dienstag nach Pfingsten möglich war, konnten alle Fuchs-Nachkommen in den Norden reisen, um daran teilzunehmen. Dafür Urlaub zu bekommen, war an einem solchen Tag glücklicherweise kein Problem.
Sie würden also nun nach dem Eintritt Claudias in den vorgezogenen Rentenstand zum 1. Mai und Herberts Übergang in den Ruhestand zum 1. September nicht mehr zu Christa Thaden ziehen, wenn sie ihrer langjährigen Heimat in der Nähe von Bamberg für immer den Rücken kehrten. Vielmehr sahen sie nun vor sich, das ganze alte landwirtschaft-liche Anwesen in Norderschwei vorerst alleine zu bewohnen, das Christa ihnen schon vor Jahresfrist mit dem Vorbehalt des Nießbrauchs überschrieben hatte. Sie hatten geplant, Chris-ta den restlichen Lebensabend zu erleichtern und mit ihr gemeinsam an die Auflösung des umfangreichen Hausstands heranzugehen, der größtenteils der Nachlass von Herberts Großel-tern gewesen und nur unwesentlich von Christa und ihrem Mann Harm-Gerd verändert wor-den war. Das mussten sie nun allein stemmen, würden aber wohl mit der Unterstützung ihrer drei Kinder und deren Familien rechnen kön-nen. Das Ehepaar Thaden hatte keine Nachkommen. So war der einzige Sohn, den Christas Schwester Else geboren hatte, mit seiner Frau von diesem kinderlosen Ehepaar als alleinige Nachbesitzer eingesetzt, weil er und Claudia schon seit Jahren ihre Sommerurlaube im Hof verbracht und den beiden Ver-wandten treu zur Seite gestanden hatten. Herbert war Christas Patenkind gewesen, und sei-ne drei Schwestern waren erheblich geringer mit der norddeutschen Heimat ihrer Mutter verbunden.
Als Oberstudienrat eines Gymnasiums hatte Herbert bereits einige Tage vor dem offiziellen Beginn des Ruhestands seine letzten Ferien und keine Verpflichtungen mehr in der Schule. So konnte der Umzug in die Wesermarsch bereits am 30. und 31. Juli stattfinden. Obwohl sie sich unabhängig vom Lastwagen des Umzugsunternehmens mit ihrem Pkw auf die Reise gemacht hatten, kamen die beiden nicht viel schneller am Zielort Schwei an als die Möbelpacker. Da diese in der Früh schon geladen hatten, blieben sie mit der Ladung am Schweier Krug, wo Herbert ihnen Quartier bestellt hatte, und standen dann am 31. morgens um sieben im Hof, um die gesamte Fracht zu entladen und nach Claudias Anweisungen in die Räume des Hauses zu verteilen. Möbel aufbauen mussten sie nicht, es hätte für solche gar keine Stellflächen gegeben, also wurden die Polstergarnitur sowie die Teile der beiden großen Schränke und einiger anderer Möbel in einer Ecke der riesigen Diele zwischengelagert. Es war für die frischen Ruheständler, die ihr ganzes gemeinsames Leben lang immer Mietwohnungen genutzt hatten, die jeweils der Familiengröße angepasst waren, ein neues und noch fremdes Gefühl, Eigentümer des Geburtshauses der Geschwister Christa und Else Diekmann zu sein, und damit sogar eines großen Bauerngehöfts.