08.06.2020 - aktuelle Autorin . Ingrid Ihben

Ingrid Ihben wurde 1956 in Emden geboren. Die meiste Zeit ihres Lebens verbrachte die Autorin mehrerer Kinderbücher und einer Vielzahl von Kurzgeschichten sowie Anthologiebeiträgen in ihrer Heimat Ostfriesland. Die Mutter zweier erwachsener Töchter wohnt in Moormerland. Ihre anschaulich gestalteten Texte, teils mit einem Augenzwinkern, teils mit Ironie, zeichnen sich durch eine intensive Beobachtung von Natur und Gesellschaft aus. So kommen ihre kleinen und großen Leser in den Genuss einer kurzweiligen Unterhaltung.
Mit dem Roman „Madeleines Vermächtnis“ hat sich Ingrid Ihben einer neuen Herausforderung gestellt. Sie lässt ihre Protagonistin Valentina, die wie die Autorin hugenottischer Herkunft ist, eine nicht alltägliche Reise unternehmen, in der diese ihren Ahnen erstaunlich nahe kommt.

Publikationen im Geest-Verlag

ganz neu: Ingrid und Frerich Ihben: Madeleines Vermächtnis. Roman. Geest-Verlag 2020
Hinnerk, Fenna und Freunde, Vechta 2018, Geest-Verlag
Der kleine Tuffeltaffel, Vechta 2017, Geest-Verlag
Flüchter, in: Von Fluchten und Wiederfluchten, herausgegeben von Artur Nickel, Vechta 2017, Geest-Verlag
Angekommen, Heimat – wo bist du, in: Noch im-mer willst du nicht verweilen …, herausgegeben von Olaf Bröcker und Alfred Büngen, Vechta 2018, Geest-Verlag
Ein ganz besonderes Kind, in: So stark bin ich, herausgegeben von Alfred Büngen, Helga Bürster, Nicoleta Craita Ten‘o, Doris Egger und Anna-Katharina Scherf, Vechta 2018, Geest-Verlag
Die Melodie des Meeres, in: Es hört sich an wie eine Melodie, herausgegeben von Alfred Büngen, Inge Witzlau, Helga Bürster, Nicoleta Craita Ten‘o, Anna-Katharina Scherf, Vechta 2020, Geest-Verlag
 

 

 

Das Grummeli  (aus Hinnerk, Fenna und Freunde)

Wenn Nebel durch das kleine französische Fischerdorf waberte, dann verließ das Grummeli sein Versteck. Das Grummeli war so klein wie eine Faust und so grau wie der Berg, in dem es wohnte.  Eigentlich wurde es nur in der Dunkelheit aktiv, aber bei Nebel wagte es sich auch tagsüber hinaus. Es rankten sich viele Sagen und Legenden um die Grummelis, aber bisher hatte kein Mensch auch nur je eines gesehen, daher gab es auch keinen einzigen Beweis für ihre Existenz. Doch Kinder waren immer wieder fasziniert von diesen Geschichten, die flüsternd von Generation zu Generation weitergegeben wurden und so waren sie sich sicher, dass es sie gab.  Es hieß, dass die Grummelis ständig Unfug trieben, indem sie alles versteckten, was die Menschen dringend benötigten. Wenn die Menschen sich dann ganz verzweifelt auf die Suche machten, lag ein Grummeli auf der Lauer, beobachtete sie aus seinem Versteck heraus und grummelte vor sich hin.

 

In diesem Dorf, das versteckt an einer zerklüfteten Küste Frankreichs lag, gab es tatsächlich seit einiger Zeit wieder ein Grummeli. Nachts, wenn alle Menschen schliefen, dann schlich es sich sogar in die Häuser. Zumeist ging es schnurstracks in die Küche, öffnete die Schränke und naschte an den Speisen.  Und wenn es dabei eine Katze aufschreckte, die friedlich auf der Ofenbank gelegen hatte, dann verzog es sein Gesicht zu einer bösen Grimasse und grummelte heftig, sodass sich die Katze ängstlich hinter dem Ofen versteckte. Von Vorratskammern wurde das Grummeli fast magisch angezogen. Dort gab es immer irgendwelche Leckereien. Lieblingsspeise des Grummelis waren vor allem Schokolade und Chips. 

Erst wenn es ausgiebig genascht hatte, begann es mit seiner Lieblingsbeschäftigung: Es versteckte einzelne Socken, Schuhe, Uhren und alles, was es gerade von den Menschen fand.

In den Spielzimmern der Kinder tobte es sich besonders gern aus. Es warf sämtliche Spielsachen auf den Boden, die vorher noch ordentlich in den Regalen und Spielkisten verstaut waren.  Die Menschen beschuldigten sich am nächsten Morgen immer gegenseitig für das Durcheinander. Den meisten Ärger für das tägliche Chaos aber bekamen die Kinder und die Haustiere. 

Die Kinder waren überzeugt davon, dass ein Grummeli sein Unwesen trieb. Niemand sonst konnte ein solches Durcheinander anrichten. Und so viele Sachen, wie sie vermissten, konnten sie gar nicht verlegt haben. Doch die Erwachsenen waren nicht mehr bereit, an die Existenz eines Grummelis zu glauben. 

So beschlossen einige Kinder, die ständig zu Unrecht beschuldigt wurden, etwas verloren oder verlegt zu haben, in den nächsten Nächten wachzubleiben, um diesen Grummeli-Unhold endlich zu überführen.  Zwei kleinen Mädchen wäre das auch fast gelungen. Sie verteilten an einem Abend Chips auf dem Küchentisch, und als in der Nacht ein lautes Knabbern und Schmatzen zu hören war, liefen sie mit ihren Taschenlampen in die Küche und konnten gerade noch ein eigenartiges Grummeln wahrnehmen.  Doch dem Grummeli gelang es im letzten Moment, sich aus dem Staub zu machen. Noch in derselben Nacht verließ es den Ort auf Nimmerwiedersehen.

Die Kinder und auch viele Erwachsene des Fischerdörfchens glaubten allerdings weiter daran, dass sie ab und zu von einem Grummeli heimgesucht wurden. Denn immer wieder kam es vor, dass Süßigkeiten verschwanden. Und auch Kleider, Schlüssel und andere Dinge fanden sich manchmal an den unmöglichsten Stellen wieder.

So blieb ihnen das Grummeli erhalten, denn jetzt konnten sie immer nachts unbehelligt durch die Wohnung schleichen, um irgendetwas zu naschen. 

Und auch die Kinder nahmen es mit dem Aufräumen am Abend nicht so genau. Hin und wieder hörte man den Satz: „Was soll‘s, das Grummeli hat wieder zugeschlagen!“ Und mir scheint, auch wir haben ab und zu ein Grummeli im Haus …