08.08.2025 - aktueller Autor - Philipp Moritz Lührs
Der leider viel zu früh verstorbene Autor Philipp Moritz Lührs aus Bonn hinterlässt uns eine Vielzahl von noch unveröffentlichten Geschichten voller Lebensfreude und Fantasie. Bereits in der Grundschule, vier Jahre besuchte er die Erich Kästner-Grundschule in Bonn, entfaltete er seine literarische Leidenschaft, wie eine Zeugnisbemerkung der Schule zeigt: „Philipp arbeitete mit großem Lerneifer und Wissbegierde. In allen Fachbereichen trug er durch seine Phantasie und sein umfangreiches Sachwissen zum Unterrichtsverlauf bei. Während der Freiarbeit schrieb Moritz besonders gern und ausdauernd eigene Texte.“
Nach dem Studium der Geschichte und Philosophie lehrte er an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und arbeitete in verschiedenen Archiven. Das Schreiben, die Musik und die Historie blieben ihm treue Begleiter. „Egal ob in der Geschichtsschreibung oder in der Literatur – es sind Geschichten, die der Welt Sinn geben, die Dingen und Ereignissen Bedeutung geben, die Menschen eine Bestimmung geben. Ohne Geschichten ist die Welt öde.“
Die hier vorgelegten Geschichten vom Wolkenfänger, Regenmacher, den Traumfressern, einem lila Salamander, einer fliegenden Windmühle und anderen eignen sich zum Vorlesen und zum Selbstlesen für Kinder. Wunderbare Illustrationen von Ulrich Peter Ecker erhöhen auch für den Erwachsenen den Anreiz zur Lektüre.
Im Geest-Verlg erschinen:
https://geest-verlag.de/shop/l%C3%BChrs-philipp-moritz-philipps-geschich...
Philipp Moritz Lührs
Philipps Geschichten von Träumen, Zaubereien und Büchern
Geest-Verlag 2024
ISBN 978-3-86685-853-4
128 S., 12,50 Euro
daraus einen Ausschnitt:
1
Die schreckliche Neuigkeit
Satur Sim Salamander war ein lila Lurch. Er lebte im Wald vor der großen Stadt an einem kleinen Bach. Er hatte nie das lei-seste Anzeichen irgendwelcher besonderer Fähigkeiten ge-zeigt und dennoch sollte er zum Helden werden, der den Wald rettete.
Die Welt aus der Sicht eines Lurchs ist sehr spannend, denn überall lauern Gefahren für einen kleinen Lurch. Lurche ha-ben keine scharfen Zähne und keine Krallen und sie sind auch nicht giftig. Daher können sie nicht viel machen, wenn andere Tiere sie fressen wollen. Und deshalb müssen Lurche sehr schnell weglaufen und sie müssen sich gut verstecken kön-nen. Satur Sim Salamander kannte viele gute Verstecke an seinem Bach. Hier ein Stein, dort ein Gebüsch und weiter dahinten die Zweige einer Weide, die bis in den Bach hinunterhingen. Bislang war es ihm immer gelungen zu entkommen, wenn ihn jemand fressen wollte, und so hatte er es geschafft, ein halbes Jahr alt zu werden. Als Lurch ist man mit einem halben Jahr schon erwachsen, und das schaffen nicht viele Lurche.
Eines Morgens saß Satur auf einem Stein am Bach und ge-noss den Sonnenschein auf seiner Haut. Da kam Rabatz, der kluge Rabe, angeflogen. Vor dem brauchte sich Satur nicht zu fürchten, denn Raben fressen keine Lurche.
„Guten Morgen“, sagte Satur freundlich. Er freute sich immer über Besucher, die ihn nicht fressen wollten.
„Heute ist leider kein guter Morgen“, antwortete Rabatz.
„Warum das denn nicht?“, fragte Satur.
Statt einer Antwort fragte Rabatz: „Kennst du Frau Doktor Schneider, die Biologin, die immer in unserem Wald herum-schleicht?“
„Nein“, sagte Satur.
„Frau Schneider beherrscht die Sprache der Tiere. Ich habe heute Morgen mit ihr gesprochen und sie hat mir erzählt, was die Menschen vorhaben.“
Rabatz trat von einem Bein aufs andere. Das tat er immer, wenn er ungeduldig war, und er war oft ungeduldig, weil die meisten anderen Tiere im Wald nicht so schnell denken konn-ten wie er.
„Und was haben sie vor?“, fragte Satur.
„Sie wollen eine Autobahn durch den Wald bauen. Das ist so eine Straße, wie wir sie am Waldrand haben, nur viel größer und gefährlicher. Dafür wollen die Menschen einen Teil unse-res Waldes abholzen und der Rest wird dadurch zerschnitten.
Dann kann keiner mehr von einem Ende des Waldes zum anderen laufen. Mir kann es ja egal sein, ich kann über die Auto-bahn fliegen, aber ich dachte, die anderen Tiere interessiert das.“
„Ja, mich interessiert das. Ich kann ja nicht fliegen“, sagte Satur besorgt.
„Genau und deshalb ist heute Nachmittag eine Versammlung aller Waldtiere auf der kleinen Lichtung im Buchenhain.“
„Da gehe ich hin“, sagte Satur. „Am besten ich mache mich gleich auf den Weg. Mit meinen kurzen Beinen dauert es nämlich ziemlich lange, bis zur Lichtung zu laufen. Hoffent-lich werde ich unterwegs nicht gefressen.“
„Viel Glück!“, rief Rabatz Satur zu und flatterte hoch. „Ich muss weiter, muss den anderen Tieren Bescheid sagen.“
2
Die Versammlung der Tiere
Als Satur Sim Salamander auf der Lichtung ankam, waren schon fast alle Tiere des Waldes da: die Hasen, die Wild-schweine, die Eichhörnchen, die Eulen, der Fuchs, die Blindschleiche, das Wolfsrudel, die Rehe, das Damwild, die Bieber vom Bach und der starke Hirsch mit seinen Hirschkühen. Auch eine Abordnung der Wildbienen war gekommen und ei-nige schimmernde Libellen. Der kluge Rabe Rabatz war auch schon da. Er stand in der Mitte der Lichtung und trat von einem Bein aufs andere.
Die Bäume, die rund um die Lichtung standen, wiegten sich im Wind und ihre Blätter warfen tanzende Schatten auf den Waldboden. Es roch nach Wildblumen, Moos und feuchter Erde. Dieser Wald war wirklich unbeschreiblich schön und al-le Tiere waren entschlossen, ihn zu verteidigen.
Als alle Tiere da waren, erzählte Rabatz mit seiner krächzenden Stimme noch einmal, was er am Morgen von Frau Schneider erfahren hatte. „Also stellt sich die Frage: Was können wir tun, um die Zerstörung unseres Waldes zu verhin-dern?“
Rund um die Lichtung erhob sich ein Gebrumme und Gesumme. „Am besten jeder, der eine Idee hat, tritt der Reihe nach vor und sagt, was er tun kann“, schlug Rabatz vor.
Da traten die Wildschweine vor und sagten: „Wenn die Men-schen in unseren Wald kommen, dann können wir sie umrennen.“
Dann trat der Fuchs vor. Er sagte: „Ich kann sie beißen!“
Dann traten die Wölfe vor und sagten: „Wir können sie fres-sen.“
Schließlich trat der starke Hirsch vor und sagte: „Ich kann sie zertrampeln.“
Nun war die Reihe an Satur Sim Salamander. Die anderen Tiere konnten ihn kaum sehen, weil das Gras so hoch war, dass Satur fast ganz darin verschwand. Er trat ein paar kleine Schritte vor und sagte sehr leise und ein wenig traurig: „Ich bin ein lila Lurch und ich kann nix.“
Währenddessen streifte Juliane Schneider, die Biologin, durch den Wald. Sie trug ein langärmeliges T-Shirt und Jeans, die in die Socken gestopft waren, um sich vor Zeckenbissen zu schützen, wenn sie im Unterholz unterwegs war. Sie wunderte sich. Wo waren all die Tiere hin? Seit Stunden lief sie im Wald herum und hatte nicht mal ein Häschen gesehen. Der Wald war wie leer gefegt. Sie war schon viel herumgekommen und hatte überall Tiere gefunden. Sie hatte in Alaska mit Bären gesprochen und in den Alpen mit Murmeltieren. Aber wo waren denn die Tiere dieses Waldes? Da entdeckte sie eine Wildschweinspur und beschloss, ihr zu folgen. So kam sie zu der Lichtung, auf der sich die Tiere des Waldes ver-sammelt hatten.
„Hallo Tiere“, sagte sie freundlich in der Sprache der Tiere.
„Verschwinde, du Mensch!“, röhrte der starke Hirsch. „Das hier ist unsere Versammlung. Wir wollen keine Menschen in unserem Wald.“
„Langsam, langsam“, sagte Rabatz. „Vielleicht sollten wir uns anhören, was Frau Schneider zu sagen hat. Ohne sie wüssten wir schließlich gar nichts von der Gefahr.“
Die anderen Tiere nickten zustimmend. Dann wandte sich Rabatz an Frau Schneider: „Also, Frau Schneider, vielleicht haben Sie eine Idee. Was können wir tun, damit die Menschen unseren Wald in Frieden lassen?“
„Lasst mich mal überlegen“, dachte sie laut. „Ja, das ist es! Das seltenste Tier von euch soll bitte mal vortreten.“
Alle Tiere sahen sich an. Und sie stellten alle fest, dass sie nicht selten waren.
Wildschweine gibt es schließlich viele und alle anderen Waldtiere auch.
Da trat schließlich Satur Sim Salamander vor und sagte: „Ich glaube, ich bin selten. Ich bin der einzige lila Lurch, den ich kenne.“
„Oh!“, rief Frau Schneider entzückt. „Ein lila Lurch! So etwas habe ich ja noch nie gesehen und ich habe auch noch nie von einem gehört oder von einem gelesen. Du musst wirklich sehr selten sein. Nein, nicht selten, du bist einzigartig! Mit deiner Hilfe können wir den Wald retten.“
Dann hob sie Satur aus dem Gras und setzte ihn auf ihre Hand. Sie führte die Hand zum Mund. Satur hatte schon Angst, sie würde ihn fressen. Doch sie flüsterte ihm einen Plan ins Ohr und der gefiel Satur. Dann setzte sie ihn wieder ins Gras und sagte zu den versammelten Tieren: „Der Lurch und ich haben einen Plan, wie wir den Wald retten können.“
„Und was ist das für ein Plan?“, fragte Rabatz, der kluge Rabe.
„Ihr werdet schon sehen“, sagte Frau Schneider.
Dann drehte sie sich um und ging.
Da kam der Hirsch zu Satur herübergetrabt. Beinahe hätte er den kleinen Lurch mit seinen Hufen zertreten. Der Hirsch beugte sich zu ihm hinunter und gab ihm Tipps, wie man jemanden zertrampelt: „So und so und dann zack!“, flüsterte er. „So und so und dann zack! Alles klar!“, sagte Satur, der kleine Lurch.
.......