Christoph Katz - Sprecht (Literatur in schwierigen Zeiten)

Sprecht!


Die Luft steht, Ruhe herrscht im Land.
Doch ist die Stille scharf und kalt.
Man spricht vom Frieden unverwandt.
Hier kommt er nicht so bald.
Hinter schönen Worten
lauert schon Verrat.
Man kann den Feind nicht orten,
doch weiß man ihn parat.

So mancher musste plötzlich geh’n
und wusste nicht, wie ihm geschah.
Sieht sich jetzt auf der Straße steh’n,
kaum, dass er sich’s versah.
Und alles geht doch weiter,
als wäre nichts gescheh’n,
verlogen, beinah heiter,
wer will die Wahrheit seh’n?

Das alles scheint fast wie ein Spiel,
wer will ein Spielverderber sein?
Dabei zu sein verlangt nicht viel,
reihst du dich schweigend ein.
Und ganz langsam schwindet
die Normalität,
ja, die Mehrheit findet,
dass es aufwärts geht.


Wer lieben kann, braucht keinen Feind.
Wer Feinde braucht, hasst sich.
Der wahre Kampf tobt, wie es scheint,
zuletzt doch innerlich.
Statt sich auszuloten,
reicht’s zu projizier’n.
Und das hilft Despoten,
sich nicht mehr zu spür’n.

Die Luft steht, Ruhe herrscht im Land.
Wer bricht das Schweigen auf?
Wo blieb der, der so schnell verschwand?
Was nimmt man noch in Kauf?
Das allermeiste Schweigen
ist feige und stimmt zu.
Sprecht! Wagt es euch zu zeigen
und stört die falsche Ruh!