Dieter Krenz - Erzählungen in der Isolation - der einundzwanzigste Tag (Literatur in schwierigen Zeiten)
Der einundzwanzigste Nachmittag begann. Ungeduldig wartete das Kind, das nun schon so lange daheim bleiben musste auf seinen Besuch. Es erschien Dorothee, die alle nur Doro nannten.
Ich erzähle Dir vom Jungen im Schwimmbad, begann sie. Ich kann jetzt ganz gut schwimmen. Aber vor einem Jahr ging ich nur ins Nichtschwimmerbecken. Da fühlte ich mich sicherer. An einem Tag waren ganz viele Leute im Schwimmbad. Und auch das Nichtschwimmerbecken war ziemlich voll. Die anderen Kinder spritzten sich gegenseitig ins Gesicht, tauchten einander unter und verfolgten sich. Du weißt, das geht ganz schön langsam im Wasser.
Irgendwie wurde ich dann auch unter getaucht. Das machte mir zuerst nichts aus. Schließlich hatte ich das schon öfter erlebt. Aber dieses Mal wusste ich nicht mehr, wo oben oder unten ist. Lange konnte ich die Luft nicht mehr anhalten. Ich bekam furchtbare Angst. Ich strampelte wie wild mit den Füßen und ruderte mit den Armen. Mir blieb nichts anderes übrig. Aber ich kam und kam einfach nicht nach oben.
Plötzlich packte mich jemand am Arm und zog mich hoch. Ich bekam wieder Luft. Als ich ein paarmal geschnauft hatte, sagte ich laut Danke. Aber wo war der Junge, der mich gerettet hatte? Ein Junge war es sicher gewesen, weil er sehr kräftig zugepackt hatte.
Als ich aus dem Nichtschwimmerbecken stieg, sagte ich nochmals Danke, dieses Mal aber leise.
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