Dieter Krenz - Erzählungen in der Isolation - der siebte Tag (Literatur in schwierigen Zeiten)
Am siebten Tag besuchte der pausbäckige Heinrich, Heiner gerufen, das kranke Kind.
Ich erzähle Dir vom Berg, sprach der Heiner. Meine Oma wohnt im Gebirge. Gegenüber von ihrem Haus steht der höchste Berg, den es dort gibt. Der ist hellgrau und hat ganz scharfe Zacken. An einem Morgen schwebten mehrere Hanggleiter um den Berg herum. Das sah einfach toll aus. Einer von denen kam der Bergspitze so nah, dass ich Angst hatte, er stößt mit ihr zusammen. Und dann war es auch so weit. - Er berührte den Gipfel und verschwand sofort hinter dem Berg. Ich war entsetzt und rief meine Oma herbei. Ich erzählte ihr von dem schönen Hanggleiter, der mit dem Gipfel zusammengestoßen war.
Meine Oma aber war kein bisschen aufgeregt. Ganz cool meinte sie: Der Berg hat dem Drachenflieger bestimmt nichts getan. Daraufhin verschwand sie in der Küche um mir Pfannkuchen mit Pflaumenmus zu machen. Gespannt schaute ich immer wieder zum Berg hinauf.
Tatsächlich! Meine Oma hatte Recht: Plötzlich war der Hangleiter mit seinem orange und blauen Schirm über dem Gipfel da und schwebte langsam ins Tal hinunter. Ich war erleichtert. Aber für einen Moment hatte es wie ein furchtbarer Zusammenstoß ausgesehen.
Weißt Du den Namen des Berges?