Dieter Krenz - Erzählungen in der Isolation - der zwanzigste Tag (Literatur in schwierigen Zeiten)
Den zwanzigsten Tag musste das Kind schon zu Hause bleiben, So freute es sich, als um drei Uhr René kam um seine Geschichte zu erzählen. René war schon einmal in Frankreich gewesen und begrüßte deshalb das Kind mit Bonjour.
Ich erzähle Dir von der Kirche. In den letzten Ferien war ich mit meinen Großeltern in Südfrankreich. Wir wohnten in einem kleinen, alten Häuschen. Aber im Garten gab es einen Swimming-Pool. Das war super. Am Morgen holte ich mit meinem Opa im Dorf beim Bäcker Baguette. Hm, das roch so gut. Bis wir wieder zurück waren, fehlte immer etwas Brot. In der Zwischenzeit hatte meine Omi den Frühstückstisch gedeckt. Wir frühstückten im Freien, weil das Wetter prima war.
An einem Sonntag sind wir in die nächste Stadt gefahren. In einer Kirche wurde Gottesdienst gefeiert. Aber der Priester redete nicht Französisch, sondern in einer Sprache, die es nur in dieser Gegend gab.
Die Kirche war total voll. Wir bekamen gerade noch Plätze in der letzten Bank. Neben meiner Omi saß ein alter Mann mit seiner Frau.
Du weißt ja, dass es im Gottesdienst den Friedensgruß gibt, bei dem man den Menschen, die neben einem sitzen, die Hand drückt. Das taten wir auch. Meine Omi und der alte Mann reichten sich die Hände. Er fragte, woher sie käme. Sie antwortete: „Aus Deutschland“. Da drückte ihr der Mann ganz fest die Hand. Als wir aus der Kirche herauskamen, hatte meine Omi Tränen in den Augen. Ich verstand das nicht. So erklärte sie mir, dass der alte Mann wahrscheinlich im letzten Krieg gegen Deutsche hatte kämpfen müssen und jetzt froh war, dass der Krieg endgültig vorbei war. (Das kranke Kind war auch gerührt.)
Wie könnte diese Kirche heißen?