Frank Maria Fischer - Warum nur Tschechow hätte Hemingway retten können
Warum nur Tschechow hätte
Hemingway retten können
Man darf nie ein geladenes Gewehr auf die Bühne stellen, wenn es nicht losgeht. Es ist falsch, Versprechungen zu machen, die man nicht halten will.
Anton Tschechow
Die Webley & Scott schluckte willig die Patronen
Es geschah aber nichts Auffälliges, nur das Licht
Brach sich in einem Spiegel hinten im Vestibül
Und blendete kurz seine einsame Entschlossenheit
Sein Mund über den Doppellauf der Flinte gestülpt
An der Tür eine Bewegung und ein Klopfgeräusch
Wie im Traum regte sich der Wunsch nach Aufschub
Aber wenn da wirklich jemand an der Tür war?
So hast du gelebt, so hast du geschrieben
Wie mit dem Finger am Abzug – nun sei es
Seine eigene Phantasie spielte ihm einen Streich
Dabei hatte ihre Kraft über die Jahre nachgelassen
Hatte er noch Rechnungen offen? Die Kriege
Waren geschlagen, die Liebe voller Verwüstung
Das Schreiben hatte es aufgewogen doch jetzt
Hatte das Zwingende die Worte verlassen
Das Zwingende war das Gewehr, das in seiner
Hand schwer wog wie ein verlorenes Leben
Schwer wie ein Gang zur Tür um nachzusehen
Wusste er, mit wem er noch sprechen musste?
Ein geladenes Gewehr muss benutzt werden
Hatte Tschechow gesagt, aber er hatte gelacht
Er hatte voller Spott entgegnet, dass ein Gewehr
Auch symbolisch bleiben könne nur ein Zeichen
Nichts weiter, nur ein Zeichen – er hatte nicht
Verstanden, was Tschechow ihm hatte sagen wollen
Wenn du das Gewehr brauchst, um etwas zu zeigen
Wirst du es auch benutzen, du alter Mann!
Dieses Gewehr war wie der Zwang abzukürzen
Jeder Satz wie ein letzter, kurz, sterblich und final
Er lehnte den Kopf gegen das Türholz und atmete
Nimm es zurück, Vater, nimm es zurück!