Giela Reinke-Dieker mit Rezension von 'Den Sternen so nah ...'

Giela  Reinke-Dieker


Den Sternen so nah ...,  -
      
Texte über den Abschied, verfasst von Jugendlichen und Erwachsenen, Geest Verlag 2018

                                  Alleine mit meiner Angst, dem Dunkel um mich          herum.
                                   Halt finden – wo?
                                   Dann die Begegnung mit dem Licht,
                                   Trost, Zuversicht, Hoffnung – danke!  (Ursula Klene)
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Medizinisch wurde alles getan, doch der Erfolg ist ausgeblieben. Diese Feststellung trifft bis ins Mark. Der Tod geht über Vorstellungsgrenzen hinaus.

                                    Es ist schwer, gehen zu können,
                                    ein Ende zu finden,
                                    den Punkt zu setzen. (Iris Keller)
Das nahende Ende und die verbleibende Lebenszeit hat viele Facetten, diese Erkenntnis vermittelt sich dem Leser dieses Buches. Das 20-jährige Bestehen des  Hospiz-Vereins Damme wurde zum Anlass genommen, das Erleben und Empfinden von Sterbenden und deren Begleitern öffentlich zu machen.  Neben den langjährigen Hospiz-Fachkräften haben es sich 17 schreibbegeisterte Schüler des Gymnasiums Antonianum Vechta und des Gymnasiums Damme zur Aufgabe gemacht, ihre Begegnungen mit dem Tod und der verbleibenden Lebenszeit der Sterbenden in Worte zu fassen.
Das gemeinsame Thema – ein gemeinsames Schreiben. Mit dem Vorsitzenden des Vereins, dem Leiter der Schul-Schreibwerkstatt und dem Verlagsleiter des Geest–Verlags ist es zu nachhaltig traurigen, hoffnungs-vollen und tröstenden Textbeiträgen gekommen.
Jugendliche im Hospiz und erfahrene Sterbebegleiter,  wie kommen diese unterschiedlichen Lebenswelten zueinander? Für die einen ist der Tod vielleicht noch nicht greifbar, für die anderen gehört das bewusste Abschied nehmen zu ihrem Erfahrungsschatz. Die Offenheit für neue Standpunkte wurde von allen gefordert. Die Jungen mussten sich einlassen, zuhören, dabeibleiben und letztendlich begreifen, dass der Abschied in Etappen den Schrecken verlieren und die Lebensqualität viel an Wert gewinnen kann.
                                  `Zittern stehe ich vor der Tür. Natürlich habe ich Angst. Nervös trete ich ein, die
                                   Aussicht war bedrückend, doch trotzdem kein Anzeichen von Trauer. All die
                                   Schläuche, aber ein fröhlich lächelndes Gesicht. Das Gespräch war gefühlt
                                   genauso schnell vorbei, wie es an Fahrt aufgenommen hatte. Es ging um Gott und
                                   die Welt und das Lieblingsessen. Von Tod war keine Spur
                                                                                                           Julius Strotmann.
Nicht nur das Sterben – eine Sicht auf das Leben haben sie alle gewonnen, da sie sich auf Dialoge, mit all ihren Gefühlsäußerungen, Fragestellungen und Deutungen, einlassen.  Der Sinn  des Augenblicks, der Wert der Nähe und des Vertrauens gibt die Kraft, sich auf die Situation einzulassen, so eine Mitarbeiterin.
                                  „  Lass fliegen dieses Blatt, hinaus  auf ein Wiedersehen.“
                                                                                                           Elisabeth Bornhorst
Der fortschreitende Prozess, der Übergang vom Leben zum Tod ist nicht einfach zu bewältigen. Dicht beieinander stehen, Fröhlichkeit, Trauer, Wut und Verzweiflung. Die Gefühlswelt kommt in Aufruhr. Diese Erfahrungen sind den langjährigen Mitarbeitern gemein. Verblüffend allerdings sind die Texte der jungen Mitautoren.
                                     „ Die dunkel schwarzen Raben begannen eine raue , singenden Melodie zu
                                     erbrechen, die in den kahlen Ästen der Bäume hängen blieb wie in einem
                                     Traumfänger.“                                           ( Luise Krieger)
Die Autoren verblüffen mit einer Sprachfertigkeit, mit Bildvergleichen und Metaphern. Sie versuchen, dem Phänomen Sterben nahe zu kommen. Durch den Perspektivwechsel stellen sich dem Leser die unterschiedlichen Situationen dar.  Die Betroffenheit und das Mitgefühl der Autoren mit den Sterbenden ist greifbar, ebenso wie eine unbestechliche Direktheit und ein eindrucksvolles Miteinander.
Die Intensivmedizin versucht bei den Kranken die Unruhe und körperlichen Schmerzen zu lindern, indem Medikamente eingesetzt werden.  Die engagierten Sterbebegleiter helfen ebenso, indem sie sich  dem Gefühlschaos des Gegenübers  aussetzen. Sie verringern bei den Begegnungen die Distanz, sie kommen  nahe und müssen das Sterben der anderen aushalten können.

                                    „ Kann, mag, will ich mich zeigen? Hier mit meinen Gefühlen? Habe ich den Mut,
                                      vor dir, vor mir zu stehen? Wärme strömt mir entgegen, hüllt mich ein..
                                      Leben frei von Maske – dank euch
                                      Meine Entscheidung
                                      DANK euch“                                                    Ursula Klene
Auch die Autorengruppe hat  durch intensive Gespräche miteinander immer wieder versucht, sich nicht selber zu verlieren.  Die jungen Autoren wurden fachlich begleitet und auch  theoretisch geschult. Diese Verfahren sind unerlässlich, um bei den ehrenamtlichen Helfern wieder  emotionale Kräfte zu mobilisieren.
Hier wurden - das Ende vor Augen - Momente bewusst , liebe- und würdevoll erlebt. Ein bewegendes, zum Innehalten aufforderndes Buch - und nicht nur bewusstseinserweiternd für die jungen talentierten Jugendlichen, sondern auch für die Leser.
 

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