Literatur in diesen Tagen: Hans-Hermann Mahnken: Hamster
Hamster
Am Montagvormittag spielten sich befremdliche Szenen in dem Bioladen ab, in dem es sonst immer so beschaulich und reflektiert zugegangen war. Schon beim Betreten des Ladens bemerkte ich, dass nur noch zwei Einkaufswagen im Vorraum bereitstanden. Alle übrigen befanden sich bereits im Einsatz: Menschen drängten sich damit durch die Gänge und beluden dieselben mit immer mehr Waren. Als ich eine Verkäuferin fragte, was denn heute hier los sei, gab sie mir kopfschüttelnd zur Antwort: „Hamsterkäufe.“.
Ich konnte ihre Verständnislosigkeit sofort teilen: Warum um alles in der Welt räumten Männer und Frauen auf der Suche nach einem Hamster die Regale leer und überluden mit den Waren ihre Einkaufswagen? Und hatte schon irgendjemand auf diese Weise einen Hamster erworben oder auch nur zu Gesicht bekommen? In einem Bioladen?
Ich verzichtete darauf, meine drängenden Fragen einem Hamsterjäger bzw. einer Jägerin zu stellen, da die meisten so verbissen bei der Sache waren, dass sie über ihr Tun nicht einmal den von den Virologen derzeit empfohlenen Sicherheitsabstand beachteten. Dabei gingen einige so rüde vor, dass ich es vorzog, um Streit zu vermeiden, schweigend meinen Einkaufszettel abzuarbeiten. Allerdings war ich nicht sehr erfolgreich, da einige Dinge, die auf meinem Zettel standen, sich vermutlich in einem der Einkaufswagen befanden, die sich in einer langen Reihe vor der Kasse stauten wie LKWs vor einem Grenzübergang.
Ich nahm mir vor, es am Dienstag erneut zu versuchen. Hoffentlich werden die Hamster bis dahin gefunden sein.