Nachberichte zu Günter Bergers 90. Geburtstagsfeier in der Konzertkirche Warfleth
„Eigentlich sind wir damals viel zu früh gewesen": Das war der Satz des Tages. Ausgesprochen hat ihn Michael Brandt, Geschäftsführer der Oldenburgischen Landschaft, in seinem Grußwort an den Mann des Tages, Günter Berger. „Damals", das war 2003, als die Landschaft dem Komponisten, Professor und Pianisten, Organisten, Chorleiter, Autor und Künstler Günter Berger für dessen Verdienste um die Kultur im Oldenburger Land die Landschaftsmedaille verlieh. Damals, 2003, war Berger 74, und die Zahl seiner Kompositionspreise belief sich auf 13. Jetzt ist er 90, und die Liste der Auszeichungen und Preise zählt 25: Wer weiß, was von diesem Berger noch alles zu erwarten ist?!
Von diesem Berger, der sein Geburtstagskonzert in wohlgesetzter Rede selbst eröffnet, humorig, ironisch und offen: 2018 habe er eine Krebserkrankung überstanden, der Schweiß sei ihm von der Stirn gelaufen, das habe prächtig zu seinem Streichquartett über „Hitze" gepasst. Von diesem Berger, den es vor Begeisterung nicht auf dem Sitz hält, weil das Asasello Quartett seine Stücke so fulminant zelebriert. Und der sich vor Freude kaum wieder einkriegt, weil Überraschungsgast Alfred Büngen, Leiter des Geest-Verlags und Verleger von Bergers Autobiografie, für seine Lesung zentrale Kapitel über Bergers Jugend ausgewählt und so begnadet vorgetragen hat, dass es jedem im vollem Rund unter die Haut geht.
Unter dem Motto „90 Jahre Günter Berger" feierte die Warflether Konzert-Gemeinde Günter Berger drei Tage nach dessen 90. Geburtstag mit einem ausgiebigen Jubelfest, und viele Besucher aus Dötlingen (seinem Wohnort) und Delmenhorst (einer der früheren Wirkungsstätten) feierten mit. Neben Reden und Lesungen gab es natürlich auch Musik. Über sie hat die NWZ bereits in der Dienstagsausgabe (Horst Hollmann, NWZ Kultur) ausführlich berichtet. Hier nur soviel:
Seinen guten Ruf, zeitgenössische Werke meisterlich zu Licht und Leben erwecken können, bestätigte das Kölner Asasello Quartett eindrucksvoll. Auch im Falle Berger erwuchs unter der musikalischen Intelligenz, der technischen Brillanz und der emotionalen Hingabe von Primarius Rostislav Kozhevnikov, Geigerin Barbara Streil, Bratschistin Justyna Sliva und Cellist Teemu Myöhänen aus komplexen Strukturen, vertrackter Rhythmik und hochgreifenden technischen Zumutungen Bezwingendes. Ein druckvoller Puls bewegte, riss mit. Bergers Kompositionskunst entfaltete sich zu schönster Blüte. Energiegeladen und technisch virtuos präsentierten zunächst Kozhevinkov und Myöhänen seine Solowerke für Violine und Violoncello. Mutig, brisant und sehr direkt im Zugriff dann die Interpretation von Bergers Streichquartetten. „Per aspera", ein an Inhalt, Ideenreichtum und mit über 30 Minuten auch an Dauer groß angelegter Quartettzyklus in drei Teilen, geschrieben zwischen 2008 und 2018, begegnet dem, der sich eingehört hat, mit bravouröser Präsenz. Teils wahnwitzige Tempi, ausgereizte Dynamik, halsbrecherische Effekte, eingebettet in exakte Schläge und einen symbiotisch homogenen Klang, fügen sich zu einer musikantischen Mixtur, die Stichworte wie „Traum", „Sonne" oder „Hitze" packend bebilderte und dabei so frisch und frech wirkte, als stamme sie von einem Zwanzig- oder Dreißigjährigen. „Brutalst möglich quietschen und knarren" hat Berger den Interpreten als Spielanweisung zum Beginn des "Hitze"-Quartetts vorgegeben. Man beachte: Dieses Werk ist, siehe oben, während der Krebs-Erkrankung des Komponisten entstanden, 2018. Da war Berger, es ist kaum zu fassen, 89.
Wer weiß, was wir von ihm noch zu erwarten haben?! Hoffentlich noch sehr, sehr viel, waren sich alle einig und wollten nicht aufhören, Günter Berger und den Musikern zu applaudieren.
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anm: 2003 ist lucke aktiv gewesen (nwz-archiv!), ich hatte das mit lüken verwechselt, aber es nagten zweifel ...
„Eigentlich sind wir damals viel zu früh gewesen": Das war der Satz des Tages. Ausgesprochen hat ihn Michael Brandt, Geschäftsführer der Oldenburgischen Landschaft, in seinem Grußwort an den Mann des Tages, Günter Berger. „Damals", das war 2003, als die Landschaft dem Komponisten, Professor und Pianisten, Organisten, Chorleiter, Autor und Künstler Günter Berger für dessen Verdienste um die Kultur im Oldenburger Land die Landschaftsmedaille verlieh. Damals, 2003, war Berger 74, und die Zahl seiner Kompositionspreise belief sich auf 13. Jetzt ist er 90, und die Liste der Auszeichungen und Preise zählt 25: Wer weiß, was von diesem Berger noch alles zu erwarten ist?!
Von diesem Berger, der sein Geburtstagskonzert in wohlgesetzter Rede selbst eröffnet, humorig, ironisch und offen: 2018 habe er eine Krebserkrankung überstanden, der Schweiß sei ihm von der Stirn gelaufen, das habe prächtig zu seinem Streichquartett über „Hitze" gepasst. Von diesem Berger, den es vor Begeisterung nicht auf dem Sitz hält, weil das Asasello Quartett seine Stücke so fulminant zelebriert. Und der sich vor Freude kaum wieder einkriegt, weil Überraschungsgast Alfred Büngen, Leiter des Geest-Verlags und Verleger von Bergers Autobiografie, für seine Lesung zentrale Kapitel über Bergers Jugend ausgewählt und so begnadet vorgetragen hat, dass es jedem im vollem Rund unter die Haut geht.
Unter dem Motto „90 Jahre Günter Berger" feierte die Warflether Konzert-Gemeinde Günter Berger drei Tage nach dessen 90. Geburtstag mit einem ausgiebigen Jubelfest, und viele Besucher aus Dötlingen (seinem Wohnort) und Delmenhorst (einer der früheren Wirkungsstätten) feierten mit. Neben Reden und Lesungen gab es natürlich auch Musik. Über sie hat die NWZ bereits in der Dienstagsausgabe (Horst Hollmann, NWZ Kultur) ausführlich berichtet. Hier nur soviel:
Seinen guten Ruf, zeitgenössische Werke meisterlich zu Licht und Leben erwecken können, bestätigte das Kölner Asasello Quartett eindrucksvoll. Auch im Falle Berger erwuchs unter der musikalischen Intelligenz, der technischen Brillanz und der emotionalen Hingabe von Primarius Rostislav Kozhevnikov, Geigerin Barbara Streil, Bratschistin Justyna Sliva und Cellist Teemu Myöhänen aus komplexen Strukturen, vertrackter Rhythmik und hochgreifenden technischen Zumutungen Bezwingendes. Ein druckvoller Puls bewegte, riss mit. Bergers Kompositionskunst entfaltete sich zu schönster Blüte. Energiegeladen und technisch virtuos präsentierten zunächst Kozhevinkov und Myöhänen seine Solowerke für Violine und Violoncello. Mutig, brisant und sehr direkt im Zugriff dann die Interpretation von Bergers Streichquartetten. „Per aspera", ein an Inhalt, Ideenreichtum und mit über 30 Minuten auch an Dauer groß angelegter Quartettzyklus in drei Teilen, geschrieben zwischen 2008 und 2018, begegnet dem, der sich eingehört hat, mit bravouröser Präsenz. Teils wahnwitzige Tempi, ausgereizte Dynamik, halsbrecherische Effekte, eingebettet in exakte Schläge und einen symbiotisch homogenen Klang, fügen sich zu einer musikantischen Mixtur, die Stichworte wie „Traum", „Sonne" oder „Hitze" packend bebilderte und dabei so frisch und frech wirkte, als stamme sie von einem Zwanzig- oder Dreißigjährigen. „Brutalst möglich quietschen und knarren" hat Berger den Interpreten als Spielanweisung zum Beginn des "Hitze"-Quartetts vorgegeben. Man beachte: Dieses Werk ist, siehe oben, während der Krebs-Erkrankung des Komponisten entstanden, 2018. Da war Berger, es ist kaum zu fassen, 89.
Wer weiß, was wir von ihm noch zu erwarten haben?! Hoffentlich noch sehr, sehr viel, waren sich alle einig und wollten nicht aufhören, Günter Berger und den Musikern zu applaudieren.
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https://www.nwzonline.de/kultur/berne-warfleth-konzert-gespieltes-plaedoyer-fuer-ein-universalgenie_a_50,5,1793274696.html
Berne /Warfleth Ein Mensch, der locker als Universalgenie einsortiert wird, stürzt sich selten in eine seiner Tätigkeiten, ohne aus einer anderen etwas mit dorthin zu nehmen. Also entwirft der Komponist Günter Berger Streichquartette. Dorthin begleitet ihn der Schriftsteller Günter Berger. Die Interpreten bekommen in der Partitur zu lesen: „Für sich, scharf betont.“ Oder: „Gehämmert, gehalten, gebunden.“ Und: „Etouffé“, was bedeutet: „Sofort wieder abgedämpfter Schlag auf die Saite.“ Und vieles mehr. Fast ein Kurzroman.
Das hochrangige Kölner Asasello-Quartett bescheinigt in der Konzertkirche in Warfleth (Gemeinde Berne/Kreis Wesermarsch) dem Komponisten-Schriftsteller-Organisten-Maler-Dichter-Philosophen, dass ihm diese wortreiche Unterstützung sehr hilfreich gewesen sei. „Technisch knifflig und strukturell komplex“ sei Bergers Musik, haben Rostislav Kozhevnikov, Barbara Streil (Violinen), Justyna Sliwa (Viola) und Teemu Myöhänen (Cello) in intensiven Proben erkannt. Aber offensichtlich haben der Russe, die Schweizerin, die Polin und der Finne sich von der Schlüssigkeit und Geschlossenheit einfangen lassen. Ihre Uraufführungen von zwischen 2006 und 2018 entstandenen Streichquartetten werden zum eindrucksvollen Plädoyer für den Künstler und Menschen Berger.
Bergers 90. Geburtstag drei Tage zuvor ist Anlass für diese in Noten und Worten sprechende Hommage auf einen Künstler, den man gern einen „Positiv-Verrückten“ nennt. Für ein Berger-Festival dieser Art braucht es einen Gleichgesinnten. Das ist Reinhard Rakow, der seit elf Jahren an dieser abseitigen Stätte am Weserdeich so zentrale Konzerte organisiert. Berger kennt er seit 2003. Selbst einer wie er hat sich von ihm noch aufrütteln lassen. „Es ist diese Entflammbarkeit für eine Idee, die Berger so außergewöhnlich macht“, sagt er. Etliche Werke sind seitdem gemeinsam entstanden. Und zu drei Quartetten rezitiert Rakow eigene und andere Gedichte.
In der Verbindung mit gereimten und ungereimten Worten dringt Bergers Musik besonders intensiv zum Hörer. Sie wird, bei allem tiefen und im christlichen Glauben begründeten Ernst, gerade in ihren illustrativen Elementen unmittelbar griffig. Es kann sonst eine Weile dauern, bis sie einen direkt anspringt. Doch inmitten von vielen Pizzicati, Flageoletts oder Glissandi lohnt es, die abrupten Stimmungswechsel, die vorwärtstreibenden Akkordschläge und die Verästelungen und Verschränkungen der Stimmen wach zu verfolgen. Dann wirken die Melodie-Inseln in diesem wogenden Meer wie Oasen der Ruhe.
Der Dötlinger Komponist genießt die Würdigung seines grandiosen Lebenswerks. „Oft denke ich, es ist alles Zufall gewesen“, räumt er ein. Doch dem trete seine Frau Elke Tholen energisch entgegen: Es sei genau ihm alles zugefallen – und er habe es sich nicht entgehen lassen.