N.N. aus dem Schreibprojekt der BBS Wesermatsch, Standort Elsfleth - Doch manchmal in der Stille
Anonym
Doch manchmal in der Stille
Manchmal in der Stille denke ich an dich. Denke an dich. An euch. Die Menschen, die mich in meinem Leben begleiten. An einige, die mich ein kurzes Stück begleitet haben, aber besonders an die, bei denen sich die Verbindung mit einfachen oder komplizierten Worten nicht beschreiben lassen würde. Manchmal in der Stille, aber besonders dann, wenn es so richtig laut und nebelig ist.
Wenn es beginnt, ganz leicht zu nieseln und die Tropfen immer dicker werden. Wenn ich ausgeliefert dastehe und kein Baum oder Dach zum Unterstellen in Sicht ist. Meine Beine sind zu schwer zum Laufen. Es ist inzwischen kein Nieselregen mehr. Die dicken Tropfen prasseln auf meinen Kopf, sodass meine Haare schon ganz nass sind. Erstaunt darüber, dass der Boden das ganze Wasser aufnehmen kann und sich kein See um mich herum bildet, neige ich meinen Kopf in Richtung Himmel. Dort ist kein Blau mehr zu sehen, sondern nur eine breite Wolkendecke, die unendlich scheint. Unendlich verdunkelnd und erdrückend. Irgendwie einengend. Sie ist zwar weit oben, doch lässt mich ihre Macht hier unten spüren. Es ist ein leichtes Ziehen an meiner Wange, als mich das erste Hagelkorn trifft. Dann geht alles ganz schnell. Der Hagel wird immer stärker und lässt meine Beine schwächer wirken. Sie geben immer mehr nach und ich sinke zu Boden. Es ist nicht das erste Mal. Ich lasse es über mich ergehen, denn tiefer als der Boden kann ich nicht gedrückt werden. So liege ich nun da. Auf dem Rücken mit allen vieren von mir gestreckt. Komplett durchnässt. Es vergehen vermutlich nur Sekunden oder Minuten, doch eigentlich sind es Tage und Monate. Die Unendlichkeit scheint so voll, ist jedoch leer. Doch manchmal in der Stille, doch besonders in dieser dunklen, lauten Stille bleibt mein Blick in den Himmel gerichtet. Die Gedanken bei dir. Bei euch. Es ist schon lange kein Warten mehr, bis es vorbei ist. Keine Hoffnung. Kein Aufgeben. Keine Liebe. Kein Hass. Und in mitten dieser monotonen Leere, in der nichts gut genug oder schlecht genug ist (die Definition von gut und schlecht überlasse ich hier jedem selbst), passiert es dann wieder. Ohne dass ich es bemerkt habe, hat es aufgehört zu hageln. Auch keine Regentropfen fallen mehr hinab. Wie gelähmt bleibe ich liegen und nehme einen tiefen Atemzug von der frischen und kühlen Luft, die der Regen hinterlassen hat. Man sollte meinen, dass nach so einem Unwetter der Himmel wieder strahlend blau aussieht. Doch die Wolkendecke verharrt unverändert an Ort und Stelle. Langsam fange ich an, meine Finger und Zehen zu bewegen. Diese Bewegung setzt sich in meinen Armen fort. So stütze ich mich auf meinen Ellenbogen ab und richte meinen Oberkörper auf. Kurz verharre auch ich in dieser Position, bis ich mich erneut vom Boden abstütze und so wie ich es immer mache, wieder erhebe. Auf meiner Haut sind die Hagelkörner noch immer zu spüren, weshalb ich nochmal in den Himmel gucke, um sicher zu gehen, dass es wirklich vorbei ist. Doch was ich dort sehe, ist unglaublich. In der dichten Wolkendecke hat sich ein kleiner Sonnenstrahl durch eine Lücke gekämpft. Das ist der Auslöser. Das Gefühl. Die Erinnerung. Es durchflutet meinen Körper und stupst mein Herz kurz von der Seite an. Die Erinnerung an den Himmel, die Sonne, den Mond und die Sterne. An die kleinen Schäfchenwolken, die im Sommer angenehmen Schatten spenden.
Dann, wenn die Wolken weg sind, ist der Weg zum Universum frei. Ich weiß, dass es so weit geht, dass ich von hier unten nicht alles betrachten kann, doch es ist immer da, egal wie unendlich die Wolkendecke scheint. Diese Wolkendecke. Sie hat das Leck wohl bemerkt, wodurch das Licht strahlt, denn nun stellt sie sich neu auf, sodass der Sonnenstrahl immer kleiner und kleiner wird, bis er ganz verschwunden ist.
Es ist zwar wieder dunkel, aber „fuck it“. Es war kurz hell.