Olaf Bröckers neuer Roman 'Abschlussjahr' erscheint am 19. September mit Premiere im Museum im Zeughaus in Vechta
Abschlussjahr - so wird der neue Roman von Olaf Bröcker heißen, der das besondere Miteinander in einem Kollegium in einem besonderen 'Abschlussjahr' zum Inhalt hat. Natürlich keine konkrete Schule, keine konkreten Lehrer, aber doch allesamt Figuren, dei man zu kennen glaubt. Ein toller Roman mit herausragender Personengestaltung.
Der Roman geht nun ins Lektorat, sodass er pünktlich zur Premiere am 19. September im Museum im zeughaus fertig wird. Hier die Eröffenungssequenz.
Der Wind pfeift durch die Zweige, das immer noch helle Grün verwischt das Blau. Mein letzter Tag. Hinter mir wird es etwas unruhig, doch ich schaue weiter aus dem Fenster. Sogar meine letzte Stunde. Ich mag dieses Grün, das sich nur selten so weit in den Juni rettet, aber es gab nur wenige wirklich heiße Tage bisher, da glauben die Bäume wohl, es sei noch Frühling. Dabei ist seit zwei Tagen Sommer. Und morgen beginnt mein Herbst. Die Unruhe hinter meinem Rücken wächst, jetzt drehe ich mich doch um, mache einige Schritte in den Raum hinein, Richtung Pult, schon wird es leiser. Ich warte noch, dann wende ich mich wieder zum Fenster, streife im Vorübergehen die hellblauen Augen von Sanne mit einem Blick, weißt schon, Mädchen, auch leise sein, wenn ich nicht gucke, das soll der Blick heißen, sie versteht, ich schaue wieder hinaus. Der Wind ruckelt an den beiden Fahnenmasten, das Drahtseil, das die Flaggen hält, wenn welche da sind, klappert, ich kann es sogar hier oben hören, hinter mir tuschelt es, es scheint um die Aufgabe zu gehen, also muss ich mich nicht umdrehen.
Unten ist jetzt wohl schon alles bereit, nette Kolleginnen decken den Tisch für mich, ich wollte mich hier verabschieden, die letzte Stunde geben, eine kleine Spielerei, die Klasse nimmt es an, eher gleichgültig, so scheint es mir. Freuen sie sich darauf, dass im nächsten Jahr ein neuer Lehrer vor ihnen steht? Denken sie so weit? 38 Jahre habe ich hinter mir, und so etwas weiß ich immer noch nicht. Wie war es bei mir? Ich halte mich nicht lange bei dem Gedanken an meine eigene Schulzeit auf, die Erinnerungen daran sind schon lange fast vollkommen verschwunden, nicht einmal Highlights kenne ich noch. Verdränge ich das? Auch dieser Gedanke ist nicht sehr angenehm, also schaue ich wieder aus dem Fenster, verfolge die kleinen Zweige, die der Wind aus den Baumkronen gerissen hat, bei ihrem Tanz über den Beton. Unten werden jetzt die Wasserflaschen auf den Tisch gestellt, ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es noch nicht die Zeit ist, den Sekt aus dem Kühlschrank zu holen. Warum habe ich den Sekt besorgt? Ich mag ihn nicht, trinke auch keinen Wein, selbst zum Anstoßen am Silvesterabend, oder eigentlich ja am Neujahrsmorgen, hebe ich nur das volle Glas und stelle es dann wieder ab. Aber es muss wohl sein, wie es sich gehört, die Pensionierung ist ein festlicher Anlass, das bestreite nicht einmal ich, und da trinkt man eben Sekt.