Reinhard Rakow - tausend covid-pressionen (6 bis 10)
tausend
covid-pressionen (6 bis 10)
(6)
und steht sie am fenster und starrt in die
dunkle leere und leuchtet die leere
in ihre vier mal vier schritte pflege
einheit und die aseptische pflege
kraft im ganzkörperanzug kann sie nicht
verstehen kein wort scheucht bugsiert sie zum
tisch essen fassen brüllt stößt zwängt maul
maul auf wo sind die kinder die enkel
da schwarz die leere der verzweiflung schwebt
überm wasser der seuchenschutzwanne
(7)
dicht gedrängt in engen käfigen zu
sammengepfercht aus stahl und gussbeton
pappe draht holz den wellblechkästen der slums
favelas den mietkasernen babel
haft gestapelt hundertfach tausendfach
was die ausbreitung und mutation
von viren fördert leider war es alt
ernativlos dass die bewohner und
andere marderartige milli
onenfach getötet werden mussten
(8)
man weht in den tag wie ein tier ohne
gestern und morgen anheimgegeben
dem kreatürlichen rhythmus von nacht
und tag treibsand ohne halt fluid der
schwerkraft der freuden beraubt: gib sie mir
wieder die freunde und feinde gib mir
umarmungen küsse körper den streit
mich an ihnen zu reiben im diskurs
der antlitze sinnenvoll maskenlos --
nicht ergeben will ich mich: will leben
(9)
die pandemie lädt ein zu dummheit und
verrohung fake news und populismus
gesetzen verordnungen erlassen:
ob sie leben zu retten wirrköpfe
zu befrieden vermögen fragt sich der
brave citoyen sublimiert seine
wut im lesen jedoch kocht inner
lich vor zorn über seine impotenz
zu gestalten und sei´s nur die nächste
demo dies letzte zucken der ohnmacht
(10)
tausend tage mehltau trauer und wut:
tausend tage umnebelt die hirne
lähmt mählich das gift öder perspektiv
losigkeit lautlos tausend tage schmerz
schmerz die herzen hinterher denken den
leerstellen die keiner je füllt tausend
tage wut über den verlogenen
irren der menschen zum sterben verführt
tausend tage mehltau trauer und wut:
und ein fetzen vorfreude auf morgen