Ursula Lange - Narben

Ursula Lange

Narben

Verlassen das weiße Haus
geborsten die schützende Mauer

Zertreten die wuchernden Gärten
der Traumbilder

Begraben im Schnee gefrorener Wünsche
der Frühling der Sommer das Jahr

Ertrunken in schwarzer Tiefe
die Siegel der Sehnsucht

Zerrissen das blaue Seidengespinst
meiner Illusionen

Zerronnen die leeren Jahre
wie Sand zwischen den Fingern

Verwirbelt im Labyrinth der Zeit
Kalenderblätter aus Dezennien

Gekerbt in die Wange Hieroglyphen
nie entschlüsselt von euch

Ihr seht nur tausend Runen
auf dem vertrauten Gesicht

Die Narben in meiner Seele
seht ihr nicht

 

(aus ihrem neuen Gedichtband: Himmel, Hölle
und wir im Gedicht. Geest-Verlag 2014)