Was für ein ergreifender Vortrag - Ulrike Migdal referierte und las über Ilse Weber
Natürlich hätten es mehr Gäste sein können, die den Weg in die Kulturmühle Berne am gestrigen Abend zu Ulrike Migdals Vortrag über Ilse Weber hätten finden können. Aber die gekommen waren, waren so ergriffen von der Darstellung des Lebens und Sterbens der Autorin Ilse Weber, dass nach dem Vortrag minutenlange Stille herrschte, so intensiv hatte die Referentin ihre Hörer in ihrem beinahe 100minütigen Vortrag emotionalisiert.
"Es gibt nicht wenige Menschen, die hat das Schicksal der Ilse Weber noch tiefer beeindruckt als Anne Frank und ihr Tagebuch im Amsterdamer Versteck vor den Nazis. Ilse Weber war eine deutsch-tschechische Kinderbuchautorin; 1930 veröffentlichte sie das „Trittroller-Wettrennen“, zwei Jahre zuvor waren ihre „Jüdischen Kindermärchen“ erschienen. Nach dem Einmarsch der Nazis musste die Prager Autorin 1942 ins KZ Theresienstadt, wo sie bald das Kinderkrankenhaus betreute – und zum Engel der verzweifelnden Kinder wurde. Je häufiger sie ihnen Mut und Trost zusprechen musste mit Gedichten und Geschichten, desto seltener dachte Ilse Weber an Selbstmord.
Ulrike Migdal sieht in ihr bis heute „eine unglaublich starke Frau, die im Konzentrationslager dem Terror mit ihren Versen und ihrer kompromisslosen Mitmenschlichkeit trotzte“. Kunst und Kultur waren das Einzige, was das Leben noch sinnvoll erschienen ließ. Am Ende aber ging Ilse Weber 1944 mit den Kindern in die Gaskammern von Auschwitz, aufrecht bis zuletzt.
Ihr Schicksal aber wäre weithin vergessen, wenn nicht die Bochumer Autorin Ulrike Migdal ihre Briefe, Texte und sonstige Dokumente zu einem beeindruckenden Band zusammengestellt hätte, der vor zwei Jahren unter dem Titel „Wann wohl das Leid ein Ende hat“ erschien; und weil sie auch noch ein Radio-Feature für den Deutschlandfunk über die vergessene Dichterin und ihre Werke verfasst hat, bekam Ulrike Migdal den „Politik und Kultur-Journalistenpreis des Deutschen Kulturrats" verliehen.
Im anschließenden Gespräch beantwortete die Referentin am gestrigen Abend noch zahlreiche Fragen der Zuhörer. Ein Vortrag, der auch angesichts der augenblicklichen gesellschaftlichen Situation an jede Schule gehört, denn nur zu deutlich macht das Leben von Ilse Weber auf Anfänge und Ursachen des Faschismus aufmerksam.