Wendelin Mangold - Dumm und faul

DUMM UND FAUL
Die Begriffe dumm und faul haben bei uns schon immer einen negativen Tatsch. Ob das immer so war, mag ich zu bezweifeln, und das mit Blick sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft. Wer von uns, in Russland geboren und großgeworden, kennt nicht die russischen Märchen vom dummen Ivan, der mehr Glück hat als alle Klugen, oder vom Ilja Muromez, der 33 Jahre auf dem russischen Ofen ununterbrochen verbracht hatte und letztendlich zu einem bullenstarken Recken heranwuchs, die Feinde besiegte und das Kiewer Rusj vom mongolischen Joch befreite. Woher kommt diese Kraft, wenn nicht vom heimischen Boden. Na, gut, Märchen hin oder her.
Also, kann dumm und faul nicht so schlecht sein, wie es uns von Kindesbeinen an allseits eingetrichtert und eingebläut wird, wenn auch bekannte russische prowestliche Schriftsteller wie Iwan Gontscharow in seinen Romanen und insbesondere im Roman „Oblomow“ eben diese Eigenschaften gesellschafts-kritisch anprangert und dem Gutsherrn Oblomow, der seine Zeit mit allerlei Tagträumen verbringt und keine seiner Zukunftspläne und gutgemeinte Ideale in die Realität umsetzt, selbst die Liebe zu der jungen, tatkräftigen Olga vermag ihn nicht aus seiner Lethargie zu reißen, schließlich müsste er dazu das geliebte Bett verlassen. Dabei ist sein Jugendfreund Stolz (schon allein der Name!) ein tatkräftiger Antipode, der das westliche Lebensverständnis verkörpert. Aber Gontscharow hätte die Schattenseiten des Kapitalismus der westlichen Industriezeit wissen und sehen müssen, der nach und nach zum Raubkapitalismus ausgewachsen ist, der nicht nur die Naturressourcen, sondern auch die Menschen unbarmherzig ausbeutete, was Karl Marx in seinem Werk „Das Kapital“ gebrandmarkt hatte.
Und nun im Blick auf die drohende Klimaerwärmung und als Folge Naturkatstrophen, Völkerwanderungen, Spannungen und Kriege, Hunger, Krankheiten, Armut und Not. Sollte man da nicht näher zur heimatlichen Scholle bleiben und die übertriebene Gier nach mehr und immer mehr bremsen und Vernunft bewahren? Da hilft allein die soziale Marktwirtschaft nicht, was ja nicht zurück zur Dummheit und zum Faulenzen heißen soll, sondern es gebraucht künftig eine vernünftige Wirtschaft und einen schonenden Umgang mit Natur.
Wendelin Mangold